Bürgerschaftswahl in Bremen 2023: AfD in Wut

Politik

Als eines der wenigen Bundesländer wählt Bremen noch im klassischen Vier-Jahres-Zyklus, weswegen wir nach 2019 morgen die nächste Wahl erleben. Damals hätte es beinahe so ausgesehen, als ob an der Weser zum ersten Mal seit 73 Jahren eine Regierung ohne SPD-Bürgermeister möglich wäre. Es kam anders anders – zwar wurde die CDU stärkste Kraft, aber eine Mehrheit ohne sie war weiterhin denk-, mach- und folglich umsetzbar. Nach dem Ergebnis der Wiederholungswahl in Berlin wurden ähnliche Droh-/Hoffnungsszenarien ebenfalls durchgespielt, hier allerdings kam es anders anders und die Hauptstadt erstmals seit der Ära Diepgen wieder zu einem konservativen Regierungsoberhaupt.

Diagramm: Wahlergebnisse zur Bremer Bürgschaft seit 1999
Wahlergebnisse zur Bremer Bürgerschaft seit 1999. Beachten: Die Bürger in Wut haben den Einzug ins Landesparlament seit 2011 über die Fünfprozenthürde in Bremerhaven geschafft. Rohdaten auf meinem OneDrive.

Zurück in den Nordwesten: Hier gibt es diesmal eine Sondersituation, denn durch einen nicht beigelegten Streit hat sich die AfD erfolgreich aus der Wahlzulassung geschmissen. In kleinerem Maßstab passiert so etwas häufiger – die Piraten bekamen für die Bundestagswahl 2009 in Sachsen keine Liste zustande, die Saargrünen… sind die Saargrünen. Der Wegfall einer kompletten Partei für eine Landtagswahl, die – im Gegensatz etwa zur DVU 2002 in Sachsen-Anhalt – per se noch antreten möchte, dafür gibt es in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik kein Beispiel.

Die AfD selbst geht durch die Instanzen – aber ihre Anhänger*innen? Die haben in Bremen und Bremerhaven das Glück einer validen Ersatz-Partei am rechten Rand, die Bürger in Wut, bitte kein Gendersternchen. Die Erben der Partei Rechtsstaatliche Offensive des ehemaligen Richters Schill sitzen bereits seit 2007 in der Stadtverordnetenversammlung von Bremerhaven und entsenden seit 2011 einen (1) Abgeordneten in die gesamte Bürgerschaft. Bisher profitierten sie dabei davon, dass die Fünfprozenthürde für die beiden einzelnen Wahlbereiche (Bremen/Bremerhaven) gilt und damit ein Einzug auch über ein paar Tausend Stimmen direkt an der Wesermündung möglich war. 2023 profitieren sie ganz stark davon, dass eben keine, nunja, Alternative zu ihr gibt. In den jüngsten Umfragen spiegelt sich das auch entsprechend wieder, die BiW könnte knapp zweistellig werden – das wäre mehr, als BiW und AfD 2019 zusammen erzielt hätten.

Aus bundespolitischer Sicht kommt das, zusammen mit dem erwarteten guten Abschneiden für die SPD, durchaus genehm. Ein Narrativ über die zerstrittene AfD, zwei, drei Videoeinspieler „Was sind eigentlich die BiW?“, aber keine wochenlange Debatte um eine besonders gute Platzierung der Rechtspopulisten, die gerade in den bundesweiten Umfragen sehr gut dastehen.

Offenlegung: Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und war von c. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP.

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