Wie gefährlich ist eine Fünfprozenthürde für die CSU?

Politik

Der neue Gesetzentwurf zur Mandatsverteilung bei Bundestagswahlen lässt die Kommentarspalten schäumen. Kern des neuen Werks sind von wenig nach ordentlich kontrovers:

  • keine Änderung der Wahlkreise (wie bei diesem Projekt simuliert)
  • Festsetzung der Größe des Bundestages auf 630 Sitze
  • Eine Partei enthält nur so viele Sitze, wie ihr nach Zweistimmen zustehen. Bisherige Überhangmandate, also Erststimmen-Gewinne, die nicht durch die Zweitstimme gedeckt sind, entfallen schlichtweg, sortiert nach Anteilen des Erstplatzierten.
  • Wegfall der Grundmandatsklausel: Wenn eine Partei wie die Linke 2021 oder die PDS 19941 keine fünf Prozent der Zweistimmen auf Bundesebene erhält, kann sie nicht über mindestens drei Direktmandate trotzdem eine Gruppe im Bundestags bilden.
  • Der Erststimmenwegfall trifft auch direkt gewählte Abgeordnete, wenn ihre Partei nicht die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Die PDS 2002 hätte also nicht nur zwei Personen im Bundestags, sondern null, die Linke 2021 nicht nur ihre drei direkt gewählten, sondern ebenfalls null, Hürde ist Hürde. (Ausnahme: direkt gewählte Personen, die keiner Parteiliste angehören.)

Inhaltlich ist einiges davon sicherlich debattierbar, zumal gerade die Ampel-Parteien von den großen Risiken am wenigsten betroffen wären. Keine von ihnen hat kürzlich Überhangmandate in großer Menge angesammelt oder die Grundmandatsklausel benötigt. Ein möglicherweise überraschendes „Opfer“: die CSU. Denn wenn sie zwischen Füssen und Hof auch noch so viele Direktmandate einsammelte, nach diesem Gesetz wären all diese perdu, falls die Partei nicht auf 5% der bundesweiten Zweitstimmen käme.

Die offensichtliche Frage also: wie realistisch ist das Bedrohungsszenario? Hierfür habe ich mir einmal alle bundesweiten Abstimmungen, also Europaparlaments- und Bundestagswahlen seit 1949 angeschaut, wobei realistisch interessant natürlich nur jene seit der Wiedervereinigung sind. Daten auf meinem OneDrive, so schaut’s aus:

Diagramm: Wahlergebnisse der CSU auf Bundesebene seit der Wiedervereinigung, Zweistimmen bei Bundestagswahlen (BTW) bzw. Stimmen bei Wahlen zum Europaparlament (EU).

Zweimal also kamen die Bajuwaren in die Nähe der neuen Gefahrenzone (was 2021 auch häufiger diskutiert wurde). Die Sorge ist also berechtigt, ein wirklich schlechtes Abschneiden der Union könnte bittere Folgen haben. Möglicherweise sehen wir also bald – neben jeder Menge Rechtswege – einen Listenverbund oder andere Maßnahmen als Rettungsanker.

Update: Nach der Veröffentlichung dieses Beitrags habe ich tatsächlich erste Artikel über mögliche Listenverbunds-Regeln (davon würde nur die Union profitieren) oder länderspezifische Sperrklauseln als Änderungen gesehen.

Offenlegung: Ich war von c. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP und bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.

  1. 1990 wurden Alte und Neue Bundesländer getrennt gewertet.

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