Die größte Gruppe bei StudiVZ oder XING (mein Arbeitgeber), komfortable Mehrheiten bei den meisten Online-Umfragen – die Piraten sind im Netz eine Macht, und sie verstehen es, mit geringem Budget effektiv zu sein. Einige Kommentatoren sprechen von einem Äquivalent zur Umweltbewegung mit den Grünen vor knapp dreißig Jahren. Mangels Kristallkugel kann ich nicht einschätzen, ob sich diese Bewegung tatsächlich langfristig als eigenständige politische Kraft manifestiert, wie es in Schweden den Eindruck macht.
Aber es lohnt sich, für die kommenden Bundestagswahlen den möglichen Einfluss der Piratenpartei zu analysieren. Zunächst mit einer trivialen Frage:
Schaffen die Piraten den Einzug in den Bundestag?
Nein. Respektable Ergebnisse wie knapp zwei Prozent bei den Landtagswahlen in Sachsen (wo sie allerdings als achtstärkste Kraft auch hinter den Tierschützern landen) sollten ebenso keine falschen Vorstellungen schüren wie die Online-Dominanz oder das Auftreten der Piraten in einzelnen Meinungsumfragen.
Auch wenn kleine Parteien in den Umfragen oft unterbewertet werden, halte ich einen notwendigen Sprung von zwei auf über fünf Prozent für nicht machbar. Bei den Einschätzungen der letzten drei Bundestagswahlen lag kein einziges Institut bei den letzten Umfragen daneben, wenn es um den Einzug in den Bundestag ging.
Neben den relativen Anteilen sprechen absolute Zahlen gegen die Piraten. Auf XING hat die Piratenparteigruppe rund 3.250 Mitglieder, über 58.000 Unterstützer bei MeinVZ/StudiVZ (Update: Links inzwischen entfernt, da es die VZ-Netzwerke nicht mehr gibt), bei Facebook knapp 5.500, bei Twitter knapp 15.000 Follower. Beeindruckende Zahlen, keine Frage. Auch die über 7.000 ‚echten‘ Mitglieder: Respekt.
Aber: Für das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde wären selbst bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 74% (das wäre noch einmal drei Punkte unter dem letzten Wert) und 2% ungültigen Stimmen – es sind diesmal 62,2 Millionen Deutsche wahlberechtigt, über 2,25 Millionen Stimmen erforderlich, um ins Parlament einzuziehen. Selbst wenn die genannten Unterstützer allesamt real existierende, wahlberechtige, paarweise voneinander verschiedene Personen wären, kommen wir auf knapp 90.000 mehr oder minder aktive Piraten.
Nun ist klar, dass man auch Piraten wählen kann, ohne in der Partei oder einer ihr zugehörigen Gruppe Mitglied zu sein. Aber ebenfalls dürfte ersichtlich sein, dass bei keiner anderen Partei die Kluft zwischen Online-Affinität (und dementsprechend potenzieller Zugehörigkeit im Netz) geringer ist, zumal die Ressourcen für Straßen- und Old-school-Medienwahlkampf sehr begrenzt sind.
Extra-Problem: Sachsen
Bei der Europawahl holten die Piraten deutschlandweit 229.464 Stimmen (0,9%), davon 17.905 in Sachsen (1,1%), das damit das stärkste Flächenland und nach Berlin (1,4%) das zweitstärkste Bundesland für die Partei wurde – dieses Land nun aber fällt aus, denn hier treten die Piraten gar nicht an an. Damit entgehen Stimmen ausgerechnet dort, wo die Partei kürzlich knapp 35.000 Stimmen ergattert haben.
In Sachsen, dem bevölkerungsreichsten ostdeutschen Bundesland, leben rund 3,5 Millionen Wahlberechtigte, die ihre Stimme nicht den Piraten geben können. Das heißt, die Piraten müssen ihre geschätzten 2,25 Millionen Stimmen aus den verbleibenden 42,6 Millionen Gültig-Wählern fischen (angenommene 74% Wahlbeteiligung von 58,7 Millionen Wahlberechtigten). Das sind schon knapp 5,3% der Stimmen.
Das heißt keineswegs, dass sich diese Bundestagswahl aus Piraten-Sicht nicht lohnen wird – auch ein, zwei Prozentpunkte, das Etikett „stärkste sonstige Partei“ wären ein Erfolg. Die Grünen schließlich erhielten bei der Bundestagswahl 1980 auch „nur“ 1,5%.
Im nächsten Beitrag: Wie die Piraten auch ohne Einzug ins Parlament die Bundestagswahl entscheiden könnten.
Hallo Burtchen,
mein lieblings (ex pc-games) (Chef 😉 ) Redakteur. Vielen Dank für deine Einschätzung. Ich gehe auch von ca 2-3 % aus, wie sicherlich auch der überwiegende Teil der #piraten+ .
Egal, wie die Bundestagswahl ausgehen wird.
Fakt wird sein, dass die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren automatisch dafür sorgen wird, dass es immer mehr werden. Im Jahre 2013 könnte dann schon anders aussehen, zu dem die Mitglieder von den etab. Parteien auch immer älter werden und dadurch weniger 😉
Mfg
Hallo „ex-pcgames leser“
1. Ich war nie Chefredakteur, sondern „nur“ der Leitende Redakteur. Es scheint, dass ich das öfter klarstellen muss 😉
2. gerade die Post-Bundestagswahl-Phase wird aus meiner Sicht entscheidend sein, sowohl für die Piraten selbst als natürlich auch wegen der gebildeten Regierung
Beste Grüße, Burtchen.