Geiz ist geil?

BerlinNahrungsmittelzufuhr

Anmerkung: Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen importierten Artikel aus meinem damaligen Blog „Morgenstimmung Berlin“, der nach langer und beschwerlicher Datenbankreise den Weg in dieses Blog geschafft hat – an Zeichenkodierungen und ggf. Bildern arbeite ich allerdings noch.

Wie ich ja schon einmal ausgeführt habe, spielt in der Bewertung der Restaurants der Preis keine Rolle, stattdessen weise ich bei besondere Preisgestaltung im Text darauf hin. Anlass dazu bietet das Frühstück vom vorgestrigen Sonntag, wo mich das Wetter und mein werter Mitbewohner von einer Fahrradtour nach Friedrichshain [ich wohnte damals in Adlershof] überzeugen konnte – die Simon-Dach-Straße als Ziel, da wird sich schon etwas finden.

Aber: auch im vermeintlich eher gem?ºtlichen Anti-Workaholic-Friedrichshain stellt es sich an einem Sonntag um kurz nach drei als sehr schwierig heraus, noch schön zu frühstücken… nach etlichen „Hätten se früher kommen m?ºssen“-Abfuhren landeten wir also beim Kingston. Der erste Eindruck: eine nicht eben markante Bar (im Verhältnis zu Hundertwasser oder Intimes), allerdings auch nicht mit dem mitternächtliche Graskekseverk?§ufer einladenden „Charme“. So weit, so gut. Verwunderlich, dass die Preise an den Tafeln sich mitunter widersprechen, aber vieleicht darf man sich ja den Wunschpreis nehmen…

Da die Simon-Dach-Straße scheinbar als permanente wirtschaftliche Maßnahme umgebuddelt und neudekoriert wird, seit ich eine Tastatur rudimentär zu bedienen in der Lage bin, platziert man sich draußen in der Nähe von ein paar Gerüsten und erlebt nebenher das berüchtigte Friedrichshainer Stadtleben. Drinnen ist es zwar etwas dunkel, dafür aber behaglich und mit viel grün eingerichtet.

Ich bin doch nicht blöd

Brunchen kostet normalerweise schon sehr akzeptable 3,90 Euro, ab 15 Uhr sogar nur 2 Währungseinheiten. Keine Ahnung, wer sich das ausgedacht hat – immerhin hatte ich seit fast zwanzig Stunden nichts gegessen und dementsprechend war das definitiv ein Minusgeschäft fürs Kingston. Für 2 Euro (in Worten: zwei) frühstücken ist allerdings wirklich unverschämt günstig, weswegen das Kingston für kleinere Geldbeutel definitiv eine Stammlokalität werden sollte.

Für Feinerschmecker allerdings gibt es wenig Spektakuläres: eine Sorte Brötchen, die üblichen Packungen kleiner Marmeladen-, Nuss-Nougat-Creme- und Honig-Portionen, einen langweiligen Schnittkäse , Schinken und Camembert. Dazu wird es mit Bohnen, Speck und Eiern (jeweils gebraten und akzeptabel fettig) noch etwas englisch und die Salatauswahl ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern (Nudel- und Kartoffelsalat sind ebenso mit von der Partie wie Bohnen, Gurken und Oliven).

Einbruch in der B-Note

An sich wäre das Kingston – insbesondere zu diesem Preis – also definitiv eine Empfehlung für bescheidenere Tage, wenn nicht… der Verfasser den Fehler gemacht hätte, Milchkaffee zu bestellen. Denn:

  1. Mit Verlaub: dieser „Kaffee“ war eine Beleidigung. Ich persönlich tippe auf eine Kombination aus Spülmittelresten und falsch eingesetzter Filtertüte. Jedenfalls ergab das Ganze ein Aroma, das mit würzig umschreiben in etwa der Klassifikation des Ersten Weltkrieges als diplomatisches Missverständnis ähnelt. Vollkommen inakzeptabel, wirklich. (Ach ja, die heiße Schokolade war ganz okay.)
  2. Die Kellnerin, Marke „Mandy vom Solarium“, ist zwar nett und lächelt freundlich (und authentisch), schafft es aber über längere Zeit mehrmals, meinen Mitbewohner und mich zu ignorieren, egal, wie nah sie an uns vorbei zu der sonstigen Kundschaft läuft. Ich frage mich immer, ob es einen speziellen Kurs für „den Blick an anderen Leuten vorbei richten“ gibt – wenn ja, hat sie definitiv eine Auszeichnung verdient.

Endabrechnung

Mit Mathe hat’s die Gute übrigens auch nicht so – da sind 4,90 Euro und 6 Euro mal eben 9,90 Euro. Nat?ºrlich ist Morgenstimmung Berlin als gastrofreundlicher Blog so frei gewesen, dementsprechend kompensierendes Trinkgeld zu geben – aber es stärkt nur den Gesamteindruck eines bestenfalls verpeilt zu nennenden Cafés.

Gäbe es eine Preis-Leistungs-Note, könnte sich das Kingston definitiv sehr weit vorne platzieren. Wer den Milchkaffee meidet, das quirlige Friedrichshain mag und bei der Bestellung von Getränken Geduld mitbringt, kann vom hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis sehr profitieren. Allen anderen kann aber leider nur sehr bedingt zum Ausflug zu kulinarisch fragwürdigem Geiz geraten werden.

Wertung: Kingston
Speisen und Getränke 55% 58%
Atmosphäre 75%
Bedienung 45%
Simon-Dach-Straße (U Frankfurter Tor/ S + U Warschauer Stra?üe, Tram Boxhagener Platz).
Preise: Brunchen 3,90/2 Euro, Milchkaffee 2,50 Euro.

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