Anno 117 und der Insel-Trick

Spieltrieb

Was haben alle Anno-Teile gemeinsam? Die Steuerschraube? Globale Inventare? Ihr Kampfsystem? Dreimal nein. Richtig, die Antwort lautet: Inseln.

#Analyse. Jetzt noch mehr bei BurtchenPLUS, click here to subscribe.

Halt, HALT! Denn hinter der offensichtlichsten Offensichtlichkeit steht nicht nur ein Markenzeichen, sondern ein unbeabsichtigter(?) Genie-Streich im Level-Design. Daran hat mich der jüngste Stream zum Thema Landkämpfe bei Pax Romana (offizieller Blogbeitrag Anno und die Kunst des Krieges, Zusammenfassung auf Youtube etwa hier) erinnert.

Für die Kämpfe hat Ubisoft eine Reihe eigener Mikro-Regeln hinzugefügt, die bestimmte Taktiken bewusst unmöglich machen oder bewusst bestärken. Schnell nach dem einer Landung gegnerischer Truppen vor Ort die Zeitenwende ausrufen? Geht nicht, denn Militär-Einheiten können nur ausgehoben werden, wenn keine feindlichen Sandalen auf dem Eiland sind. In einiger Entfernung der bösbubigen Kontrahenten lassen sich immerhin Palisaden und Mauern hochziehen.

Ungefähr in der Bildmitte zu sehen: Die Truppen überqueren eine Fluss-Enge.

Und: auf den Inseln gibt es Flüsse, die normalerweise ein erhebliches Hindernis darstellen, aber an bestimmten Engstellen eben nicht. Das ist nicht nur hübsch und nachvollziehbar, sondern eben auch clever und lässt sich entsprechend ausnutzen. Gleichzeitig hat es nicht dieses Holzhammer-artige, das Gelände-Effekte oft mit sich bringen. Ob Jet-Pack-fähige Sprungdistanzen in Tiberium Wars oder Wasser-kann-frieren-Momente in Siedler 5 oder Company of Heroes 2 oder oder, sie alle benötigen, um nicht zum einmaligen Gimmick zu verkommen, einen regen Einsatz auf den Karten.

Hier liegt meines Erachtens ein ganz großer Vorteil der Anno-Welt. Durch den durchgängigen Einsatz von Insel-Welten ist die gesamte Umgebung einerseits artifizieller. Aber gleichzeitig haben die Designer:innen nicht nur von Anno 117, sondern von allen Quersumme-Neuns, sich dadurch eine Freiheit erkauft, mit wesentlich erhöhtem Suspense of Disbelief Welten zu bauen und Entscheidungen zu erzwingen. Wie schnell wir in eine andere Insel (oder eine andere Region) expandieren müssen, lässt sich über Größe oder Fruchtbarkeiten regeln, das Hüpfen von Eiland zu Eiland ist immer dabei und akzeptiert.

Und damit kommen wir zurück zu den Truppen: Wenn auf jeder Insel mit Flüssen eben auch solche Engstellen sind, wirkt das durch das gesamte Design weit weniger künstlich als in reinen land-basierten Spielen. Die inhaltliche Rahmung der Anno-Serie erlaubt es Ubisoft Mainz, landschaftliche Auswirkungen subtiler und feiner wirken zu lassen, als sie es tatsächlich sind. So wie in einem Cartoon-Kontext auch vermeintlich drastische Gewalt anders wahrgenommen wird, senkt der Inselhintergrund das Misstrauen und die Offensichtlichkeit von Spiel-Mechaniken.

PS: Ich möchte erwähnen, dass ich die versehentlich vor-veröffentlichte Minerva in meinem Preview vorgesehen hatte. Kommt auf die Liste zusammen mit Napoleon: Total War (bisschen scrollen im PC-Games-Bericht).

PPS: Immerhin bis hierhin habe ich durchgehalten ohne ein T(r)ick-Wortspiel.

PPPS: Der Vollständigkeit halber hätte ich mich trotzdem über Insel-übergreifende Eisenbahnen mit Personen-Transport in irgendeinem DLC bei Anno 1800 gefreut.

Comments are closed.