4,981 Prozent. So knapp wie noch nie eine Partei scheiterte das BSW im März an der Fünfprozenthürde. Nach dem fulminanten Aufstieg der Partei mehr als nur ein herber Dämpfer, ja möglicherweise gar eine existenzielle Krise. Fun fact am Rande: Bei Landtagswahlen hat es schon knappere Oh-wie-schade-Momente geben, etwa zuletzt im Saarland.
Einstweilen gehen nun im Bündnis natürlich die Analysen und Schuldzuweisungen um, gipfelnd in vergeblichen Versuchen der Vorsitzenden (zu der ich Gedanken habe), eine Wiederwahl der thüringischen Landesvorsitzende zu verhindern. Diese, namentlich Katja Wolf, ist auch stellvertretende Ministerpräsidentin einer Waldbeer Brombeer-Koalition im Freistaat, gewissermaßen Vertreterin eines “Realo”-Flügels – und dessen Kurs wird von Sahra Wagenknecht et al. unter anderem für das enttäuschende Ergebnis der Bundestagswahl verantwortlich gemacht. Das Mitregieren mit all seinen Kompromissen schade der Identität der Partei.
Stimmt das? Und fährt das BSW besser in Fundamentalopposition, auch wenn das in fast allen östlichen Bundesländern mittelfristig Minderheitsregierungen zur Folge hätte? Dankenswerterweise hat es in relativ kurzer Abfolge bundesweite Wahlen gegeben, die sich zumindest für einen Antwortversuch eignen.
Nachfolgend habe ich einmal vorgetragen, wie die relativen Verluste zwischen Europawahl 2024 und Bundestagswahl 2025 aussahen und ob sich daraus Trends absehen lassen. Ein Rechenbeispiel: In Berlin erhielt das BSW zur Europawahl 8,7%, zur Bundestagswahl 6,7%. Die zwei Prozentpunkte Unterschied entsprechen einem relativen Verlust von 23,0% (2 geteilt durch 8,7 mal einhundert).

Tatsächlich ist der relative Verlust in Thüringen bundesweit am höchsten, die Partei verlor mehr als ein Drittel ihres Stimmenanteils. Allerdings: In Sachsen, wo Koalitionsverhandlungen scheiterten, ging es auch um 28 Prozent nach unten – mehr als in Brandenburg, wo das BSW an der Regierungsbank sitzt. Eine mögliche Hypothese: Die Brandenburger Koalition hat den Vorteil, den einigermaßen beliebten Ministerpräsident Woidke im Amt zu halten, nur zwei Koalitionspartner und eine echte parlamentarische Mehrheit. Die Drei-Parteien-Union im Erfurter Landtag muss hingegen über Bande immer wieder Die Linke ins Boot holen, wird geführt vom Solala-Regierungschef Mario Voigt.
Keine idealen Voraussetzungen für eine populäre Regierung. Ob der Gang in die Opposition nicht auch einige BSW-Wähler:innen verschreckt hätte: Denkbar, wenn auch nicht die Gleichen. Ob es weniger gewesen wären? Das erscheint mir tatsächlich recht plausibel. Haben die Regierungsbeteiligungen also dem BSW so sehr geschadet, dass sie für den Nicht-Einzug in den Bundestag verantwortlich gemacht werden können? Insbesondere in Thüringen denkbar.
Offenlegung: Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, ich war von c. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP.