Ein Jahr zur Bundestagswahl 2025: Wo steht die Regierung?

Politik

Mir gehen allmählich die „Nur wer unter einem Stein lebt“-Einleitungen aus, also kommen wir direkt zum Punkt: Sieht nicht gut aus (hier zu den Beiträgen für 2022 und 2023). Regelmäßig muss ich an Wahlabenden konstatieren, dass neue Negativrekorde aufgestellt wurden – für die FDP in Brandenburg mit 0,8% erneut ein schlechtestes Landtagswahlergebnis überhaupt. An zehnter(!) Stelle kommen die Liberalen mit diesem Ergebnis, noch hinter der Tierschutzpartei und der ödp-Volt-Piraten-Listenvereinigung plus. Formal kann Thomas Kemmerich in Thüringen also immerhin verbuchen, sein Desaster minimiert und der Partei zumindest Einnahmen aus der Wahlkampfkostenerstattung gesichert zu haben. Nachdem die Linken in Thüringen durch den Noch-Ministerpräsidenten und in Sachsen durch zwei Direktmandate gerettet wurden, half in Brandenburg nichts mehr. Die Partei scheidet erstmals überhaupt aus einem ostdeutschen Landtag aus, und das nicht mal allzu knapp – nachdem sie dort zur Bundestagswahl 2009 noch stärkste Partei wurde! Auch Direktmandatshoffnungen für die Freien Wähler/BVB – die ursprünglich so in 2014 in Brandenburg ihre Landtagskarriere starteten – oder Bündnis 90/Die Grünen in Potsdam gingen nicht auf. Für die CDU war es das drittschlechteste Ergebnis ihres Bestehens, jüngst unterboten von der Hamburger Bürgerschaftswahl und nicht ganz so jüngst in Bremen.

Die See rast und fordert ihre Opfer. Es gilt weiterhin: Ein halbwegs beliebter Regierungschef ist das beste Zugpferd, um viele Menschen auch taktisch zum Wahlsieg zu verhelfen. Alle Parteien außer AfD und BSW, gegen die sich jene Taktik eben richtet, haben jeweils das Nachsehen. Zur Veranschaulichung die Gegenüberstellung von Europa- und Landtagswahlen in den drei Ländern.

Diagramm: Ergebnisse der Europa- und Landtagswahlen 2024 in Brandenburg, Thüringen und Sachsen
Ergebnisse der Landtags- und Europawahlen in den Neuen Bundesländern 2024 im Vergleich. Richtig, straffiert dargestellt ist jeweils die Partei des Ministerpräsidenten, für die jeweils in der LTW ein deutlicher (im Falle von Thüringen aber natürlich nicht ausreichender) Gewinn zu vermerken war. Auf 100% gestrecktes Stapeldiagramm der einbezogenen Parteien, Rohdaten auf meinem OneDrive.

Waldbeeren im Bundesrat

Die Regierungsbildung in den benannten Ländern war schon vor fünf Jahren abenteuerlich und hat eher abenteuerliche Zweckbündnisse befördert, in Thüringen bekanntermaßen eine handfeste Krise. Es dürfte nicht überraschen, dieser Zustand hat sich nicht gebessert:

Aus dem Stand hat die SED-Nachfolge-Nachfolgefusions-Nachfolgeabspaltungspartei damit drei Regierungsbeteiligungen und Einfluss auf elf Stimmen im Bundesrat sicher.

Die aktuellen Umfragen

Wie schon eingangs angedeutet: Sieht nicht gut aus. In der Summe haben es die Ampelparteien geschafft, im Vergleich zum Vorjahr noch einmal ein gutes Stück an Zustimmung zu verlieren, insgesamt liegen sie in der gemittelten demoskopischen Stimmung bei 30 Prozent. Insgesamt. 22 Prozentpunkte unter dem Wahlergebnis der Koalitionsparteien, das ist – wie so vieles dieser Tage – ohne Beispiel. Der zweitschlechteste Wert ist um fast zehn Punkte weniger schlimm (richtig, die letzte „bürgerliche“ Koalition, Merkel II).

Diagramm: Koalitionen 1 Jahr vor der Bundestagswahl
Diagramm: Koalitionen ein Jahr vor der Wiederwahl in der Demoskopie. Erfasst wurden jeweils die Umfragen möglichst genau ein Jahr vor dem jeweiligen Wahltermin. Rohdaten auf meinem OneDrive. Lesebeispiel: SPD-Grüne schaffen 1998 etwas mehr als die Hälfte der mandatsrelevanten Stimmen, drei Jahre später haben sie etwas an Zustimmung verloren.

An dieser Stelle auch interessant natürlich: Wie aussagekräftig sind diese Zahlen ein Jahr im Voraus? Besteht noch eine Chance für die Koalition, sich aus der Krise zu regieren und durch eine geschickte Kampagnenführung alles umzudrehen? Hm. Hm. Hm. Der bisher größte Abweichung der Umfragewerte ein Jahr vor einer Bundestagswahl von ihren tatsächlichen Ergebnissen war… 2021, also gar nicht mal so lange her. Die Union stand im Mittel bei knapp 33, die SPD bei 15 und Bündnis 90/Die Grünen bei 19 Prozent – im Verhältnis zum tatsächlichen Resultat ein deutlicher Unterschied. Die SPD führte eine disziplinierte Kampagne, Grüne und Union wurden zur Eigentormaschine. Das kann durchaus in Teilen wieder vorkommen. Merz ist ein wenig populärer Mensch und er hat bisher noch nie eine Wahl gewonnen – auch die vergangenen Rennen um den CDU-Vorsitz verlor er. Zweimal.

Offenlegung: Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Ich war von c. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP. Ich strebe bei der kommenden Bundestagswahl kein Mandat an.

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