Erfahrungsbericht – 27 Stunden Berlin-Turin per Zug

Fortbewegung

Nachdem wir im Sommer ein Interrail-Abenteuer mit vergleichsweise akzeptablem Gesamtverlauf unternommen hatten, stand für die vergangenen Feiertage ein höherer Schwierigkeitsgrad an: Die Direktbuchung von Tickets nach Turin zu den Schwiegereltern, mit Hin- und Rückfahrt jeweils an einem einzigen Tag. Hier lohnt es sich kaum, ein Interrail-Ticket zu benutzen – selbst mit der kleinsten Variante, vier Reisetage, würden zwei verfallen. Zudem schien uns die Gefahr, um Weihnachten herum an die Kapazitätsgrenzen des Reservierungssystems zu stoßen, deutlich zu hoch. Schließlich mussten wir selbst im späten Sommer oft unliebsame Alternativen nehmen, und in die verfügbaren Reservierungen gibt es ohne käuflich erworbenen Pass keine Einsicht.

Portal Fatal

Warum aber ist „direkt ein Ticket buchen“ eigentlich die anspruchsvollere Aufgabe? Weil für die grundsätzliche Suche der Verbindungen zwar die klassische Bahn-Webseite verwendet kann, für den tatsächlichen Buchungsvorgang aber international-bahn.de benutzt werden muss mitsamt einer Myriade von Eigenheiten. Das geht bei Nickeligkeiten los wie der Tatsache, dass die Buchungen dann eben nicht im normalen Bahn-Account auftauchen und endet bei oft nur durch mehrfaches Neuladen tatsächlich angezeigten Preisen und somit erwerbbaren Billets. Auch auf die Sitzplatzreservierungen selbst gibt es keinen direkten Einfluss. Als jemand, der seit über einem Jahrzehnt in der IT arbeitet und schon diverse Migrations- und Schnittstellenprojekte hinter sich hat, verstehe ich das Leiden hier gut. Als Kunde jedoch ist mir das egal – auch, weil mir etwa Flugvergleichsportale solche Hindernisse fast nie in den Weg stellen.

Am Ende des Buchungsprozesses kommt nicht etwa ein PDF mit allen Strecken-Abschnitten aus dem System, sondern per E-Mail eine Kaskade an Dokumenten. Ein bis zwei Blätter je Teilstrecke/Fahrtanbieter, in unserem Fall insgesamt zehn Seiten. Dabei ist etwas unklar, was das für die Anschlussgarantie bedeuten würde. Auch auf Bahn-Twitter Mastodon herrschte die Meinung vor, dass es sich formal um Einzelfahrscheine handelt und deswegen verpasste Anschlüsse mit Zugbindung bestenfalls aus Kulanz abgefedert könnten. Auf den italienischen Billets findet sich immerhin ein kleiner Hinweis „Network Ticket“.

Eine Nachfrage beim ICE-Personal lieferte die Antwort, dass Ticket-übergreifende Fahrgastrechte de jure eben nicht gelten, weil „grenzübergreifend ja nicht nur ein Ticket für die gesamte Verbindung gelöst werden kann“ (ja, das ist das Problem, sehr gut zusammengefasst!) aber de facto alle im Zug oder Reisezentrum maximal flexibel seien. Das will ich gerne glauben, es bleibt ein signifikanter Malus.

Die eigentliche Reise

Die Fahrten selbst verliefen für die Rahmbedingung „Zwei Grenzübertritte im Fernverkehr um Weihnachten“ herum befriedigend. Auf der Hinreise (Berlin-Basel-Mailand-Turin) hatte zwar jeder einzelne unserer Züge mindestens eine halbe Stunde Verspätung und der ICE nach Basel endete wie so oft bereits in dessen badischen Bahnhof und erforderte eine S-Bahn-Spritztour, insgesamt kamen wir jedoch in vertretbarem Rahmen an und konnten unsere Plätze wie gewünscht wahrnehmen.

Für die Rückreise (Turin-Mailand-FFM-Berlin) hatten wir vorher aufgrund der deutlich knapperen Umsteigezeiten (jeweils unter 20 Minuten) vorher etwas Bange und an den Kopfbahnhöfen Mailands und Frankfurt am Mains auch entsprechende Sprints, aber letztlich eine planmäßige und komfortable Fahrt.

Das angedeutete IT-Problem setzte sich auch während der Fahrt fort, denn alle nicht von der DB bedienten Strecken hatten veraltete und somit unbrauchbare Daten auch bei der „Echtzeit“-Abfrage. Das führt auch zu Blüten wie einem angekündigten Ausstieg, während der Zug gerade einmal so den Ursprungsbahnhof verlassen hat.

Fazit und Lehren

Insgesamt hat diese Fahrt gut funktioniert. Ich bleibe etwas frustriert darüber, dass Mailand für Norditalien ein so unausweichlicher Durchgangspunkt ist, weil das etliche Wege verlängert.
Für den Umstieg in Basel hatten wir einen sehr großzügigen Puffer eingeplant, das erwies sich als die richtige Entscheidung.
Für einige ICE-Teilstrecken haben wir zusätzlich Wunschsitzplätze reserviert, das würde ich wieder so tun. Und vermutlich schauen, ob sich der reine ICE-Anteil erhöhen lässt, auch wenn wir – im Gegensatz zur Interrail-Tour – um einen extrem schrummeligen IC/EC herumgekommen sind.

Und früher buchen, damit ein „Super Sparpreis“ nicht bei Zwei Dritteln des Normalpreises landet.

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