Landtagswahlen in Schleswig-Holstein 2022: Ausgangslage und Umfragen

Politik

Premiere in der Bundesrepublik: Erstmals stellt sich eine Jamaika-Koalition, die tatsächlich eine gesamte Legislatur überstanden hat, zur Wiederwahl. Am Sonntag sind die Bürger:innen des nördlichsten Bundeslandes aufgerufen, ihr Landesparlament neu zu wählen. Im Gegensatz zum Saarland – wo es Jamaika-Koalitionen bisher nicht so gut hatten – sieht es dabei so aus, dass der amtierende Ministerpräsident sein Amt fortführen kann und es den ersten Dämpfer für die bundesweit Ampelkoalition gibt, wenn auch ohne Auswirkungen auf den Bundesrat.

Geschichte: SPD-Stammland wird zum Trauerspiel

1983 erzielte die CDU das letzte Mal die Mehrheit zwischen Sylt und Fehmarn – ab der darauffolgenden Wahl machte es sich die SPD bequem; das allgemeinen Motorenstottern der rot-grünen Bundesregierung wurde überschattet von der CDU-Spendenaffäre; Helmut Kohls Ehrenwort machten die Ministerpräsidenten-Hoffnungen von Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe zunichte. 2005 konnte die SPD zwar nicht mehr stärkste Kraft werden, aber beinahe doch noch die Regierungschefin stellen – in vier Wahlgängen wurde Heide Simonis letztlich aus den eigenen Reihen abgesägt und damit wendete sich das Blatt: Seit 18 Jahren regiert die CDU mit wechselnden Partnern, zuletzt mit FDP und Grünen.

Diagramm: Landtagswahlen in Schleswig-Holstein seit 1992.

Das interessante daran sind nicht nur die weiteren Details, mit denen sich abendweise Kneipen-Quiz-Runden gewinnen lassen könnten: Drama um für ungültig erklärte Landtagswahlen, der Schutz des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) als Gruppe der Minderheiten, Heide Simonis als erste Ministerpräsidentin überhaupt. Spannend aber auch: Wenn wir im Diagramm einfach die Start- und Endpunkte der jeweiligen Parteien verbinden, ergibt sich ein relativ konsistentes Bild:

  • Die SPD im Abgangsmodus – selbst die beiden Wahlgewinne konnten jeweils nicht die zuvor erzielten Verluste aufholen.
  • Die CDU mit einer Ausnahme in einem sehr engen Korridor bei gut 30 Prozent.
  • Grüne und FDP wechseln Platz 3 ab, aber bleiben schwächer als in anderen Bundesländern.
  • Die Linke bleibt jenseits der Ausnahme-Wahl 2009 ohne Bedeutung.
JahrCDUSPDFDPGrüneLinke/PDSAfDSSWDVU/NPDPiraten
199233,8%46,2%5,8%4,97%1,9%6,3%
199637,2%39,8%5,7%6,1%2,5%4,3%
200035,2%43,1%7,6%6,2%1,4%4,1%1,0%
200540,2%38,7%6,6%6,2%0,8%3,6%1,9%
200931,5%25,4%14,9%12,4%6,0%4,3%0,9%1,8%
201230,8%30,4%8,2%13,2%2,3%4,6%0,7%8,2%
201732,0%27,3%11,5%12,9%3,8%5,9%3,3%0,7%1,2%
Tabelle: Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein. Der SSW ist von der 5-Prozent-Hürde ausgenommen.

Aussicht: Jamaika wird zu Schwarz-Grün…?

Ein Blick auf die aktuellen Umfragen zeigt: Daniel Günther muss sich keine Sorgen machen, die Regierungsmehrheit zu verlieren – und kann vermutlich sogar komfortabel die Koalitionsarithmetik vereinfachen und eine ausschließlich schwarz-grüne Regierung aufstellen, in Extremfällen sogar auf das inzwischen sehr selten gewordene Zweierbündnis mit der FDP. Die SPD hat – außer beim Institut INSA – ordentlich an Zustimmung eingebüßt. Angesichts der hervorragenden Beliebheitswerte des Ministerpräsidenten keine große Überraschung.

Spannender werden am Sonntag die Rand-Fragen: Wie stark wird der Unterschied zwischen FDP und Grünen? Waren die Institute vielleicht zu unsicher bei der Einordnung der AfD, die auch 2017 nicht einmal sechs Prozent Zustimmung erhielt? Wo ist der Boden der Zustimmung bei der Linken?

Comments are closed.