Landtagswahlen im Saarland 2022: Ausgangslage und Umfragen

Politik

Es gab eine Zeit vor den massiven Platzproblemen in Torten- und Säulendiagrammen am Wahlabend. Am 5. September 1999 war die Lage besonders übersichtlich: Genau zwei Parteien zogen in den Saarländischen Landtag ein (ja, CDU und SPD) und naheliegenderweise hatte die stärkere Partei auch die absolute Mehrheit. Der Urnengang vor 23 Jahren war die dritte Wahl seit dem Regierungswechsel in Bonn. Die rot-grüne Regierung hatte ihre Mehrheit im Bundesrat bereits im Februar verloren, als Roland Koch neuer Ministerpräsident Hessens wurde und der abgewählte Hans Eichel dafür ins Bundeskabinett wechselte. Analog sah es im kleinsten Flächenland aus, das Ex-Regierungschef Klimmt als neuen Bundesverkehrsminister exportierte.

Landtagswahlen im Saarland seit 1990. Rohdaten auf meinem OneDrive.

Seither wurde ein einstiges SPD-Stammland, vorher lange von Oskar Lafontaine regiert, dauerhaft CDU-geführt. Peter Müller regierte erst absolut und dann in einer großen Koalition, Heiko Maas konnte der Union dreimal nicht gefährlich werden. Müller zog dann weiter ans Bundesverfassungsgericht, Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer sollte eigentlich Angela Merkels Erbe antreten. (Tjanun.)

Nun sieht es aber gemäß den Umfragen so aus, dass die SPD, wie wohl frisch in Regierungsführung auf Bundesebene, keinen Niederlagenserienauftakt befürchten muss. Für die anderen Ampelfarben stellt sich die Lage etwas komplizierter dar.

Die Umfragen sehen einen überraschend deutlichen Vorsprung für die SPD, als müsste die Union gerade mit einem bundesweiten Fehlstart kämpfen. Hier kommen ein paar Faktoren zusammen:

  • ein Amtsinhaber, der nicht durch die Wahlbevölkerung, sondern „nur“ parlamentarisch legitimiert wurde – diese schneiden oft nochmal ein Stück schwächer ab
  • eine lange Regierungszeit mit solala-Erfolgsbilanz kann immer Nährboden für Wechselstimmung sein
  • Regierungschef Tobias Hans wirkte zunehmend verzweifelt in seinem Versuch, etwa die gestiegenen Treibstoff-Preise auszunutzen
  • auch wenn ein Großteil der Menschen sagen, dass Landes- statt Bundespolitik wichtig für die Wahlentscheidung sei – der Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine kann einen „Rally ‚round the Flag“-Effekt hervorrufen, von dem die Regierungsparteien und ganz besonders Kanzlerpartei SPD profitiert

Kittengejammer

Im Gegensatz zum allgemeinen Bundestrend, wonach auch die kleinen Parteien immer wichtiger werden, geht es für alle anderen Gruppierungen um Saarland weiterhin höchstens um eine Fraktion in Brettspielabendstärke. Kollektive Selbstdemontage macht das Leben hier schwierig:

  • Die Grünen waren so zerstritten, dass sie nicht einmal eine Landesliste zur letzten Bundestagswahl aufgestellt bekamen, und waren auch in der Vergangenheit mit der unrühmlichste Landesverband – die Neuaufstellung für den diesjährigen Urnengang kann dabei nur endlich viel Wiedergutmachung leisten
  • Auch die FDP im Südwesten hat einen mäßigen Ruf. Die erste Jamaika-Koalition wurde von Kramp-Karrenbauer beendet, weil sie die Liberalen für quasi unzurechnungsfähig hielt. Die Kanter-Niederlagenserie zu Beginn der Schwarz-Gelben Regierung 2009 hatte ihren Höhepunkt, als die FDP auf traurige 1,2% der Zustimmung kam.
  • die Linke hatte hier einst ihre besten westdeutschen Ergebnisse, doch der innerparteiliche Kurs der letzten Jahre hat besondere Blessuren hinterlassen – und ihr einsteiges Zugpferd, Oskar Lafontaine, die Partei inzwischen sogar verlassen, die Fraktion im Landtag ist gespalten. Wortwörtlich, es gibt zwei Linke-Fraktionen.
  • die AfD steht im Verhältnis etwas besser und kann wohl am ehesten wirklich sicher sein, tatsächlich in den Landtag einzuziehen, aber auch in kleiner Runde – nach der dritten „Hoppla, meine Partei ist doch ganz schön rechts“-Vorstandsrochade und der aktuellen Fünfte-Kolonne-Rhetorik ist die Gruppe weit davon entfernt, mit Pauken, Trompeten und Posaunen zu marschieren. Dennoch wäre der mögliche Fall, dass nur die AfD als „kleine“ Partei in den Landtag einzieht, ein unangenehmer Tatbestand.

Auswirkungen auf den Bundesrat

Für den Bundesrat ist jede in Ansätzen wahrscheinliche Kombination eine Bestärkung der Ampel: Ob allein, mit Grünen und/oder FDP, die künftige Regierung an der Saar wird eine Teilmenge der Bundesregierungskoaltion. Andere Varianten wie Jamaika oder Schwarz-Grün scheinen rechnerisch und politisch abwegig. Und somit könnte Olaf Scholz als erster SPD-Kanzler seit Ewigkeiten seine erste Landtagswahl gestärkt überstehen.

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