Sechzehn Bundesländer = sechzehn Landesparlamente. Sechzehn Wahlverfahren, mit Optionen für Angeberwissen an allen Ecken (Brandenburg hat ein Quorum bereits ab einem Direktmandat! In Bremen gelten die 5-Prozent-Hürden für Bremen und Bremerhaven gesondert! In Baden-Württemberg gibt es nur eine Stimme und eine wilde Reststimmenauszählung…) – aber auch für eine ganz triviale Frage: Wie groß sind die einzelnen Landesparlamente und was heißt das für den „Repräsentanzfaktor“, also wie viele Einwohner:innen tatsächlich einem Sitz im Parlament entsprechen?
Für die Untersuchung habe ich folglich ganz banal zwei Dinge zusammengetragen: Die aktuellstverfügbare Bevölkerungszahl für jedes Bundesland und die aktuelle Größe des jeweiligen Landtages. Außen vor gelassen sind der Anteil der wahlberechtigten Bevölkerung, die tatsächliche Anzahl an abgegebenen Stimmen bei der letzten Wahl oder auch, inwieweit der Status Quo ein besonderer Ausfall nach oben oder unten für das Land darstellt. Vielleicht später mal. Und das ist das Ergebnis:
Nachfolgend in Tabellenform, Original-Daten wie immer auf meinem OneDrive.
Bundesland | Bevölkerung | Sitze im Landesparlament | Einwohner:innen je Sitz |
Brandenburg (BB) | 2.531.071 | 88 | 28.762 |
Berlin (BE) | 3.664.088 | 147 | 24.926 |
Baden-Württemberg (BW) | 11.103.043 | 154 | 72.098 |
Bayern (BY) | 13.140.183 | 205 | 64.098 |
Bremen (HB) | 680.130 | 84 | 8.097 |
Hessen (HE) | 6.293.154 | 137 | 45.935 |
Hamburg (HH) | 1.851.430 | 123 | 15.052 |
Mecklenburg-Vorpommern (MV) | 1.610.774 | 79 | 20.390 |
Niedersachsen (NI) | 8.003.421 | 137 | 58.419 |
Nordrhein-Westphalen (NW) | 17.925.570 | 199 | 90.078 |
Rheinland-Pfalz (RP) | 4.098.391 | 101 | 40.578 |
Schleswig-Holstein (SH) | 2.910.875 | 73 | 39.875 |
Saarland (SL) | 983.991 | 51 | 19.294 |
Sachsen (SN) | 4.056.941 | 119 | 34.092 |
Sachsen-Anhalt (ST) | 2.180.684 | 97 | 22.481 |
Thüringen (TH) | 2.120.237 | 90 | 23.558 |
Durchschnitt | 37.983 | ||
Median | 31.427 |
Analyse: Je größer, desto weniger mehr
Bei einer Spanne von gut 600,000 bis knapp 18 Millionen war von vornherein klar, dass die Parlamente für größere Bundesländer nicht linear mitwachsen und die kleinen nicht proportional schrumpfen können, sonst kämen einige sehr unpraktikable Ergebnisse heraus. Dennoch hat mich die Deutlichkeit der Ergebnisse etwas überrascht.
Bremen (zusammen mit Hamburg das einzige Halbtagsparlament der Bundesrepublik) ist wie zu erwarten das Bundesland mit den meisten Abgeordneten pro Bevölkerungsanteil. Zu dem allgemeinen Größen-Problem kommt das Wahlrecht, das eben auch eine Repräsentation für beide Stadtstaatgebiete vorsieht. Das etwas bevölkerungsreichere Saarland hingegen ist auf 51 Plätze fixiert, komme was wolle. Macht die Analyse einfach, hat aber für die praktische Parlamentsarbeit auch Herausforderungen: Die Mini-Fraktionen von AfD und früher den Grünen kommen auf drei Leute, für die Arbeit eines Landesparlamentes eine ambitionierte Größe.
Neben dem allgemeinen Anstieg, der tatsächlich gut von einer linearen Regression erfasst wird (die natürlich nicht durch den Nullpunkt geht), sind besonders die Unterschiede vergleichbarer Länder interessant: So lungern Sachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin alle um die 4-Millionen-Marke, die Bundeshauptstadt gönnt sich aber das mit Abstand größte Parlament der drei Länder. Und die meisten Abgeordneten in einem Landesparlament sitzen nicht etwa im Düsseldorfer Landtag, sondern im Münchner Maximillianeum – obwohl NRW fast fünf Millionen Menschen mehr beherbergt.
Übrigens: Würde sich Bremen an NRW orientieren, wäre die Bürgschaft ein Treffen von acht Menschen. Eigentlich ganz praktisch, weil sie sich immer rundum besuchen, nach der Debatte noch was schönes kochen und eine Runde Exploding Kittens spielen. Ein Düsseldorfer Landtag mit dem Bremer Verhältnis indes käme auf 2214 Parlamentarier:innen.
Gibt es einen Idealwert? Möglicherweise, auch wenn das außerhalb der Betrachtung dieses Beitrages liegt. Nach meiner Erfahrung ist eine ernsthafte Fraktionsarbeit an eine Mindestgröße gebunden und eine Erreichbarkeit und Nähe der einzelnen Abgeordneten ist ein lohnenswertes Ziel. Gleichermaßen kann die Arbeitsfähigkeit eines Abgeordnetenhaus aber auch leiden, wenn dieses zu sehr wächst – wobei ich selbst 200 Menschen da für unproblematisch halte – und schließlich ist es natürlich nie beliebt, die Kosten der Legislative an und für sich in die Höhe zu treiben.