Es gibt wenige kulturelle Momente mit „Wo warst du, als…“-Faktor. Werke, deren Einfluss bleibt, so dass man sich Jahrzehnte später noch daran erinnern kann, zum Beispiel ein bestimmtes Lied das erste Mal gehört zu haben oder ein lang ersehntes Album in den Platten-/Kassetten-/CD-Spieler zu werfen.
Im Sommer 2000 landete nach tagelanger Belagerung des Download-Managers der erste Konzept-Trailer für „Der Herr der Ringe“.
Meine Freunde (kein Gendern nötig) in der Schule hatten das Buch bereits lange vor mir gelesen, zum einem Dezember-Geburtstag im Vorjahr hatten wir das Brettspiel verschenkt. Darin enthalten war eine Zusammenfassung des Plots auf zwei (DIN-A3-)Seiten. Sehr dicht, nicht wirklich zu durchdringen, wenn auch inhaltlich in der Summe ok. Was mir aber klar wurde: das ist irgendwie klar etwas Besonderes. Eine reichhaltige Welt, ein großes Abenteuer.
Ich kaufte die einzige Edition des Werkes in einem Buch, die ich finden konnte. Und an vielen Stellen war das für mein damaliges Schulenglisch durchaus etwas herausfordernd. Wann immer Lieder auftauchten, dachte ich mir eine eigene Melodie aus.
Am Ende war ich durchaus stolz, das Ganze geschafft zu haben. Und dann die Filme!
Am 27. Dezember 2001 braust ein Mini-Van mit… ordentlich überhöhter Geschwindigkeit durch Ost-Alberta. „Was, wenn uns die Polizisten stoppen?“ – „Wir sagen, wir sind auf dem Weg zu Herr der Ringe, dann geben sie uns eine Blaulicht-Eskorte!“
Zwei Jahre später bucht der Jahrgang meines Gymnasium zwei Reihen im (inzwischen geschlossenen) Cinestar am Potsdamer Platz. Nach der neunten Stunde (Badminton!) geht es zur Premiere, von ungefähr 17 Uhr bis 3 Uhr morgens. Zum ersten Mal sehe ich Cos-Player („Für Gondor!“) in echt. Szenenapplaus bei „Der zählt trotzdem nur als Einer.“
Und als Verlängerung des Erlebnisses die Extended Editions mit un-fass-bar viel Zusatzmaterial und noch mehr Szenen. Da trafen sich Freund*innen wie zu einer adoleszenten Pyjama-Party für zehn Stunden Immersion. Wann immer ich heute Filmlängen über zwei Stunden sehe, gehen die Langweile-Alarm-Sensoren hoch, doch hier galt tatsächlich: Mehr ist mehr.
Ich weiß genau, wo ich war, wer mit im Kino saß und wie sich das anfühlte. Es war nicht das letzte Erlebnis dieser Art, aber ein ganz besonderes.