Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2021 (2): Die Umfragen

Politik

Was mir bei der Vorbereitung dieser Beiträge und dem Rückblick auf die vergangenen Wahlen oft auffällt: Wie Wahltermine selbst einen ordentlichen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Vereinfacht gesagt, gibt es in Ländern eine grundsätzliche demographische und wirtschaftliche Zusammensetzung, die viele Parameter der politischen Stimmung erklärt. Die ist natürlich auch nicht komplett statisch, aber ändert sich dennoch eher selten.

Wenn sie es tut, gibt es dafür oft gravierende Gründe, etwa der permanente Absturz der Berliner CDU aus Beinahe-Absolute-Mehrheit-Kreisen zu Einem Unter Vielen oder der Aufstieg der Grünen in eben Baden-Württemberg. Aber noch öfter gibt es den umgekehrten Fall: Das, was in der Statistik „Regression zur Mitte“ genannt wird – Ausreißer-Ergebnisse werden wieder einkassiert, sobald die einmaligen Bedingungen des letzten Males verschwunden sind. So konnten die Grünen in Rheinland-Pfalz nur 2016 von ihrem Hoch profitieren und die CSU erholte sich von ihrem Post-Stoiber-Debakel strukturell überzeugend. Und, weil es noch zu einfach war: Die Wahl selbst ist auch wieder ein Faktor. Ein mit wenigen Hundert Stimmen an die Macht gespülter Regierungschef kann sich als beliebter Landesvater erweisen und langfristige Stimmungsverschiebungen hervorrufen – oder One-Legislaturenperioden-Wonder untergehen. Was macht eigentlich Jürgen Rüttgers?

Umfragen sind keineswegs ein perfektes Werkzeug, können aber einen guten Einblick in Zusammensetzung der Zickzackpfeile geben. Ein Last-Minute-Aufschwung wie für die Piraten 2011? Ein Straucheln kurz vor dem Ziel wie bei Julia Klöckners Versuch, Malu Dreyer 2016 aufzulösen? Gut erkennbar – mit der üblichen Einschränkung, dass Bewegungen der letzten zwei Wochen sich schwierig abbilden lassen. Aus etwas entfernterer Vogelperspektive: Die guten Ergebnisse für die Republikaner 1992 in Baden-Württemberg sind eine Funktion aus einem offensichtlich hohen Potenzial für rechtsextreme Stimmen im Südwesten und der allgemeinen Lage der Nation zur Zeit der unseligen „Asyldebatte“.

Was also lernen wir aus den Umfragen für den kommenden Stuttgarter Landtag? Die Situation der letzten zwei Wochen war recht statisch:

  • CDU zwischen 22 und 24 Prozent, Grüne zehn Punkte davor,
  • SPD und FDP auf 10 bis 11 Prozent,
  • die AfD bei 11 bis 13 Prozent, aber meistens vor Sozialdemokraten und Liberalen,
  • die Linken immer unter der Fünfprozenthürde – und sie tendieren dazu, ihre Umfrageergebnisse zu unterbieten.
„Ein Wahltermin im November letzten Jahres“ ist leider keine Option für die CDU. Quelle: CDU Baden-Württemberg.

In letzter Zeit war hier wenig Bewegung drin – in den Wochen davor aber dafür umso mehr. Noch zur Weihnachtszeit war keineswegs ausgemacht, dass die Grünen stärkste Kraft werden würden, dann hat das auch für die verständnisvollsten Menschen unentschuldbare Impf-Debakel der Bundesregierung die Union in Mitleidenschaft gezogen. Neben Kretschmanns Partei protifiert davon auch die FDP. Und so wird womöglich morgen im Zusammenspiel aus grundsätzlicher Zusammensetzung eines Landes und aktuellen Faktoren ausgelotet, wie tief die CDU in einem katholischen Flächenland tatsächlich sinken kann.

Offenlegung: Ich war von c. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP und bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.

One Reply to “Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2021 (2): Die Umfragen”

  1. […] klingt soweit alles nach einem unspektakulären Wahlabend in Mainz mit weit weniger Dramaturgie als ein paar Kilometer weiter südlich in Stuttgart. Aber das eine Ampel-Koalition nicht mit einer Tic-Tac-Toe-Pressekonferenz auseinandergeht, ist ja […]

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