In wenigen Stunden schließen die Wahllokale zwischen Saalfeld und Eichsfeld – in Thüringen stellt sich der erste Linke Miniterpräsident zur Wiederwahl und die AfD hofft, erneut den zweiten Platz in den Balken- und Tortendiagrammen zu erhalten. Ein Blick auf die Umfragen soll zwei Fragen klären:
- Gab es in der Vergangenheit gerade in Thüringen besondere Überraschungen, etwa Last-Minute-Aufholjagden oder -Einbrüche?
- Was lässt sich aus den Wahlen und Umfragen in Sachsen und Brandenburg lernen?
Umfragen in Thüringen früher
Die politische Landschaft der Kohl- oder Schröder-Jahre war eine ganz andere, stark geprägt von einem deutlich Gegensatz zwischen Konservativen und Sozialdemokraten, mit bestenfalls Nebenrollen für Grüne, FDP und PDS/Linke. Dennoch: gab es dereinst Überraschungen, was Umfragen und das tatsächliche Ergebnis in Thüringen anbetrifft?
- 2014 war das Ergebnis in der Tendenz keine Überraschung, CDU und SPD lagen innerhalb der erwarteten Fehlertoleranz unter ihren Prognosen, die Linke und AfD etwas darüber.
- mit Ausnahme einer seltsamen Umfrage der TU Illmenau war 2009 ein recht präzise „vorhergesagtes“ Wahljahr – die Linke konnte sich wieder etwas über ihren Umfrageergebnissen platzieren
- ähnlich liegt die Lage für 2004, allerdings mit dem Unterschied, dass der brachiale SPD-Absturz der Spät-Schröder-Ära in keiner Umfrage erkennbar war. Hier gilt einmal mehr, dass deutliche Abweichungen in den Rohdaten tendenziell von Instituten herausgerechnet werden.
Lehren aus Sachsen und Brandenburg
SPD stärkste Partei und über den Umfragen! Ein Satz, der einlädt, den Kaffeetasseninhalt zu prüfen, in Brandenburg vor ein paar Wochen aber Bestand hatte. Dietmar Woidke verteidigte sein Ministerpräsidentenamt und die Sozialdemokraten blieben mit 26% stärkste Fraktion, was deutlich über den Erwartungen lag, die sich eher bei Fünftel eingependelt hatten. Das Nachsehen hatten Linke, Grüne, FDP und CDU, die hoffentlich allesamt den Sekt auf Kommission gekauft hatten. Am anderen Ende des Spektrums lag die AfD etwas über den Werten, die Forsa & Co. ausgerufen hatten.
In Sachsen war das Bild ein ähnliches:
- die das Regierungsamt besetzende stärkste Kraft, hier die CDU, platzierte sich am oberen Rand der demoskopischen Prognosen
- darunter litten alle anderen nicht-AfD-Parteien – SPD und Linke ließen bettenweise Federn, die Grünen legten weitaus weniger zu als vorher erwartet, und die FDP kriegt wieder nur den Zonk
Schlussfolgerungen
Für den heutigen Abend bedueten diese Beobachtungen: Berechtigter Optimismus für die Linke, die sowohl im Ländervergleich (stärkste Partei gewinnt im Verhältnis zu Umfragen) als auch in den historischen Daten Thüringens Hoffnung schöpfen kann. Wahrscheinlich wieder ein gutes Ergebnis für die AfD. Und sonst eher miese Stimmung in den Parteizentralen.
Offenlegung: Ich war von 2002 bis 2009 Mitglied der FDP. Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.