Die Wahl zum hessischen Landtag am kommenden Sonntag dürfte bei den Demoskopen weniger Angstschweiß auslösen. Im Gegensatz zu Bayern vor knapp zwei Wochen, wo zwei Faktoren zutrafen, die meist die Statistik verhageln, ist die Lage etwas weiter nordwestlich übersichtlich. Keine Last-Minute-Dramatik, keine „so noch nie dagewesen“-Events. Ja, die Grünen haben ein paar wohlmeinende Artikel abbekommen, aber sie sind in Hessen ohnehin historisch etablierter – erste Regierungsbeteiligung überhaupt, erste schwarz-grüne Regierung in einem Flächenland. War Roland Koch noch als Bundesrabauke bekannt, gibt sich Volker Bouffier und seine Regierungstruppe insgesamt deutlich galanter.
Unter vergleichbar nüchtern zu betrachtenden Bedingungen sahen die Umfragen in der Vergangenheit (Rohdaten auf meinem OneDrive) aus wie ein Lehrbeispiel für angewandte Statistik: 2008 und 2013 war die Abweichung zwischen dem Mittelwert der Umfragen und dem tatsächlichen Ergebnis in neun von zehn Fällen bei höchstens einem Prozent. (Die Nachwahl 2009 sah eben anders aus, etwa mit einer deutlich schwächer als erwartenden Union.)
Für 2018 sehen die Zahlen wie folgt aus:
In Kurzform sind die Mittelwerte CDU 26,7%; SPD 20,7%; 20,3%; FDP 7,7%; Linke 8,0%; AfD 12,3%. Davon sind nur geringe Abweichungen zu erwarten. Aber auch die können es in sich haben – Grüne und SPD sind derzeit gleich auf. Selbst innerhalb der zu erwartenden Resultate ist daher viel möglich, und sowohl Volker Bouffier als auch Tarek Al-Wazir oder Thorsten Schäfer-Gümbel können am Ende in die Staatskanzlei einziehen. 1999 war es ähnlich: 2200 Stimmen brachten die FDP über die Fünfprozenthürde – und Roland Koch in den Chefsessel.
Offenlegung: Ich war von c. 2002 bis 2009 Mitglied bei der FDP. Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.