Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 2016 (1): Ausgangslage und Umfragen

Politik

Am 26. April 1998 fand die zweite Wahl statt, an die ich echte Erinnerungen habe: Sachsen-Anhalt. Ein paar Wochen zuvor schnellte der SPD-Balken in Niedersachsen fast an die Fünfzigprozentmarke, hier blieb er bei 35 Zählern stehen. Gleichzeitig stockte die schwarze Säule, 1994 noch am höchsten, bei 22 Punkten – und der braune Indikator der DVU schaffte es auf 12,9%.

Fruchtbarer Boden in Mitteldeutschland

Für die inzwischen in der NPD aufgegangene „Deutsche Volksunion“ bedeutete dies das beste Ergebnis einer rechtsradikalen Partei in Sachsen-Anhalt, in den Neuen Bundesländern, in der Bundesrepublik und überhaupt, nochmal ein gutes Stück vor den Ergebnissen, welche die Republikaner in Berlin und Baden-Württemberg eingefahren hatten. In den Umfragen wurde die „Diesmal Protest wählen!“-Phantompartei bei nicht einmal der Hälfte ihres späteren Resultates gesehen.

In den Umfragen der kommenden Landtagswahl hingegen taucht die AfD an wenig bescheidener Stelle auf, meist kurz nach den Linken. Dennoch: In allen Ländern, in denen seit der Bundestagswahl 2013 gewählt wurde, konnte die AfD das prognostizierte Ergebnis übertreffen, insbesondere in den Neuen Bundesländern durchaus deutlich. Es ist also möglich, dass Alternative tatsächlich zweitstärkste Kraft werden könnte.

Umfragen in Sachsen-Anhalt allgemein

Neben der Unterschätzung der DVU 1998, womöglich überkompensiert durch zu positive Extrapolationen der Schill-Partei 2002, zeigen sich in Sachsen-Anhalt noch ein paar andere Tendenzen in den Umfragen:

  • In allen bisherigen Landtagswahlen waren die Umfragen für die SPD besser als die Realität, im Mittel um etwa 3 Prozentpunkte.
  • Bei den Ergebnissen für die CDU und Linke gibt es mit Ausnahme von 1998 relativ zielgenau Zahlen.
  • Die Performance von Grünen und Liberalen ist ebenfalls zuverlässig, es sei denn, sie sind sehr dicht an der Fünfprozenthürde. Das könnte für die FDP schwierig werden: zwar hat sie seit der Markenneugestaltung in Bremen und Hamburg leicht überdurchschnittlich abgeschnitten, in den ostdeutschen Bundesländern jedoch seit  Jahren kein Land gesehen.

Die bisherigen Ergebnisse


In Sachsen-Anhalt sorgen verschiedene Aspekte für eine vergleichsweise volatile politische Kultur:

  • Im Gegensatz zu Brandenburg (Stolpe) oder Sachsen (Biedenkopf) etablierte sich nie eine Partei mit einem Landesvater gleich nach der Wiedervereinigung als natürlich dominante Kraft. Inzwischen ist die Union die herrschende Fraktion.
  • Die Linke (damals) PDS wurde hier viel früher stärker und akzeptierter – so entstand bereits 1994 das Magdeburger einer von den Sozialisten tolerierten Regierung, als anderswo noch rote Socken auf Plakate gedruckt wurden.
  • In zwei Landtagswahlen (1990 und 2002) schnitt die FDP – Hans-Dietrich Genscher kommt ursprünglich aus Halle – für ein ostdeutsches Land sensationell gut ab, um anschließend wieder krachend abzustürzen.

Folglich dürften die Veränderungsbalken am kommenden Sonntag für Sachsen-Anhalt am größten sein, und die Bestürzung über das AfD-Ergebnis wohl ebenfalls. Für den Bundesrat hingegen sind keine Auswirkungen erwartbar: So sie eine Mehrheit behalten, werden auch nach der Regierung CDU und SPD eine große Koalition eingehen.

Offenlegung: Ich war von 2002 bis 2009 Mitglied der FDP. Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.

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