Fernstudium an der University of Liverpool – häufige Fragen

Fortbildung

Mich erreichen immer wieder per E-Mail, in sozialen Netzwerken oder auch hier per Kommentarfunktion Fragen zu meinem Masterstudium in Liverpool. Einige davon sind sicher etwas zu detailliert für einen allgemeinen Beitrag, aber grundsätzlich gibt es genug sich wiederholende Unsicherheiten, um sie einmal gesammelt hier zu beantworten. Ich werde den Beitrag mit der Zeit ggf. erweitern oder auf Fragen weiter individuell eingehen. Mein Studium entsprach dem ursprünglichen MSc Software Engineering, wobei die neue Struktur lediglich minimale Kursänderungen vorsieht.

Disclosure: Ich nehme nicht an einem irgendeinem Referral-Programm der University of Liverpool oder von Laureate Online Education teil und wurde von niemandem gebeten, einen wie auch immer gearteten Beitrag zu schreiben.

Der Beginn

Brauche ich Vorkenntnisse?

Zweimal: Ja, aber.

Die Universität selbst möchte anhand des einzusendenden CV eine klare Qualifikation für die Aufnahme eines Master-Studiums in einem technischen Umfeld erkennen, etwa längere berufliche Erfahrung oder ein fachverwandtes Bachelorstudium. Anderenfalls kann es sein, dass die Immatrikulation vorläufig geschieht und erst nach dem Bestehen der ersten drei Kurse persistiert wird.

Auch wenn es keine speziellen Kenntnisse gibt, die ein Kurs direkt voraussetzt, wird einem eine vergangene Beschäftigung mit Software-Entwicklung das Leben einfacher machen. Bestimmte Konzepte wie Objektorientierung oder Baumstrukturen in XML- und HTML-Dokumenten werden regelmäßig verwendet, sollten aber wirklich niemanden zum Wegrennen anstiften.

Mit was für Kosten muss ich rechnen?

Hier ist insbesondere wichtig anzumerken, dass meine Studienaufnahme nunmehr schon drei Jahre zurückliegt und Liverpool/Laureate seither die Gebühren womöglich angepasst haben. Die genauen Kosten variieren je nach Zahlungsweise – monatlich ist das teuerste (aber für viele sicher praktikabelste)  Zahlinterval, eine wuchtige Einmalzahlung am günstigsten, dazwischen gibt es noch die Möglichkeit von drei gestaffelten Zahlungen. Zur Studiengebühr kommen so genannte Technologie-Gebühren und einmalig eine Art Immatrikulationsgebühr.

Nicht vergessen werden sollte auch, dass jeder Kurs ein Fachbuch erfordert, das je nach (Gebraucht-)Marktlage mit zwanzig bis sechzig Euro zu Buche schlägt. In der Summe sollten angehende UoL-Studierende darauf eingestellt sein, über den Daumen gepeilte 17.000 Euro in das Studium zu investieren.

Präsenzveranstaltungen mit Reisen wie bei der Open University gibt es nicht; ggf. an Zusatzkosten können natürlich für eigene Projekte oder die Masterarbeit zum Beispiel Softwarelizenzen anfallen, erforderlich ist das aber nicht.

Während des Studiums

Wie ist der eigentliche Ablauf?

Dazu habe ich in meinem Beitrag „Ein Ächzen und ein Ach“ relativ ausführlich geschrieben – es gibt im Regelfall achtwöchige Kurse mit einem strikten Wochenprogramm an Angabeterminen – Lesen ab Donnerstag, zwei Aufgaben/Kurzessays am Samstag, Forenbeteiligung (mit sachlich fundierten Antworten und LIteraturverzeichnissen) bis Mittwoch, zudem ein größeres Aufgabenpaket, ebenfalls zum Mittwoch, wo ggf. auch Gruppenprojekte anstehen.

Wie funktioniert die Benotung?

Offizielle Erklärung des Systems

Wenige Tage nach dem Ende jeder Woche schickt die Betreuerin oder der Betreuer eine kurze Nachricht mit einer Einschätzung der Woche, zudem lassen sich an einer anderen Stelle im System die dazugehörigen Einzelnoten einsehen.  Die beste Note (A*) entspricht dabei 84 Punkten (100 gibt es nur bei der Bewertung der Masterarbeit, und auch dort nicht wirklich), ein C 54 Punkten (gerade noch bestanden), D (44) und F (0) bekommen leider kein Foto.

Aus den einzelnen Noten ergibt sich mit relativ trivialer Gewichtungsmathematik eine Gesamtnote. Formal sind die Noten eine Zeit lang provisorisch, ich kenne aber keinen Fall, in dem sie in irgendeine Richtung angepasst wurden.

Wie immer hängt die Strenge der Benotung dabei etwas von den Lehrkräften ab, aber niemand ist wirklich drakonisch und niemand verschenkt wild Bestnoten. Einzig in einem Fall wollte mir ein Tutor in seinen Begründungen partout nicht plausibel erscheinen, aber da ging es eher um Kürpunkte.

Wie schwierig sind die Kurse?

Das ist natürlich völlig subjektiv. Neben den durchgängigen (und wenig überraschenden) Herausforderungen permanenter Rezeption und Erstellung von Fachtexten sind die geforderten Fertigkeiten in den Kursen stark unterschiedlich.

Wenn das eigene Masterarbeitsthema es nicht anderweitig erforderlich macht, sind die geforderten Mathematikkenntnisse auf einem absolut entspannten Niveau: In einem Einführungskurs wird über die binäre Repräsentation, Kompression und Fehlerkorrektur von Information gesprochen, und ab und an tauchen in Projektmanagement- oder Finanzzusammenhängen einfache Summenformeln auf. Jeder gymnasiale Mathematik-Grundkurs hat mehr gefordert, und die berüchtigten Laufzeit- und Komplexitätsanalysen der klassischen Informatik bleiben ebenfalls außen vor.

Die Programmieraufgaben selbst gehen natürlich über ein einfaches Tutorial hinaus, sollen aber eben auch innerhalb einiger Stunden zu lösen sein. Völlig unmögliches wird einem also nicht abverlangt, obwohl einige Detailaufgaben zum Beispiel zu XML-Syntax knifflig sein können.

An zwei Stellen gab es Aufgaben, die sich, auch als Gruppenprojekt, über mehrere Wochen aufbauen, wenn zum Beispiel das objektorientierte Modell der Verwaltung einer Fluggesellschaft (inklusive Tickets, Flugzeugen und Personal, also nicht völlig realistisch innerhalb weniger Wochen) erstellt werden soll oder eine Webseite mit Backend, Frontend und AJAX-Kommunikation. Dabei fand ich die Kommunikation im Team mindestens genauso anspruchsvoll wie die eigentliche Arbeit. Schön daran ist aber, dass es die tatsächlichen Schwierigkeiten des Software-Alltags realistisch abbildet.

Wie gut und aktuell ist das Kursmaterial?

Das ist starken Schwankungen unterlegen, weil die Kursen in nicht allzu hektischen Zyklen aktualisiert werden; erwischt man hier einen Kursinhalt im letzten Lebensjahr, sind dabei schon einige Kuriositäten zu finden, etwa eine Übungsfrage zur Zukunft einer längst abgestellten Technologie (UDDI). In den wöchentlichen Texten, die begleitend zu den Buchkapiteln zu lesen sind, tauchte zudem an einer Stelle W3 Schools als Referenz auf, die ich ihr aus gutem Grund nicht mit einem Link ehre. Meine Beschwerde über einen wenig aktuellen Kursinhalt an einer Stelle wurde mit den Verweise auf die demnächst anstehende Aktualisierung abgetan, die W3 Schools hingegen prompt entfernt.

Viele der besprochenen Themen sind, wenn nicht zeitlos, so doch zumindest weniger aktualitätsgetrieben als Programmierung im Web, so dass die gemächliche Aktualisierung weniger ins Gewicht fällt. Zudem sollte eine Universitätskurs natürlich nicht zwangsläufig das hippe Framework der Woche besprechen, das mit dem Eintreffen des Masters schon wieder out ist. Dennoch wäre etwas weniger offensichtliche Veralterung der Kurse schön, zumal das Geld hierfür ja vorhanden sein sollte.

Nicht zuletzt: Für meine Begriffe greifen die Tutorinnen und Tutoren innerhalb der Woche zu wenig ein, wenn offensichtliche Unsinnsposts verfasst werden, nur um auf die Beitragsanzahl zu kommen. Besonders hartnäckig etwa hält sich das Syndrom, als vermeintliche Antwort auf einen anderen Beitrag  Interesse zu bekunden, dann einen oder zwei Sätze aus einem Artikel zu zitieren, kurz bestätigend zu paraphrasieren und „what do you think?“ als Antwort zu posten. Ich kann nicht beurteilen, was diejenigen für Noten bekommen haben, aber einer wirklich fruchtvollen Diskussion in den Foren stand das Verhalten im Wege.

Denn, und das möchte ich gerne betonen: Diese Diskussionen, diesen Austausch gab es, und er war toll. Genau das, womit die Universität wirbt – Austausch mit dem australischen Berater, der Mobilfunktechnikerin aus der Dominikanischen Republik und dem Regierungs-ITler aus Kenia, da sind tolle Gespräche möglich. Und sie passieren, nur eben zu selten.

Wie gut funktioniert das Online-System?

Zum Einsatz kommt nicht das vielleicht von einigen Universitäten bekannte Moodle, sondern das selbstgebaute Laureate Lens (wenn es auf bekannten Forensystemen bestehen sollte, ist mir das entgangen). Die Auftaktaufsätze am Samstag und die Aufgaben am Mittwoch müssen zudem bei Turnitin hochgeladen werden.

Anfangs war das System angesichts der propagierten Modernität, des monetären Einsatzes und nicht zuletzt angesichts des Studienfaches etwas beschämend. Das Forum zum Beispiel benötigte zum Formatieren von Text (und das möchte man, wenn zum Beispiel Literaturangaben gemacht werden oder Zitate auch mal fesch eingerückt werden) aktiviertes Java, womit zum Beispiel alle Tablets auf einen Nur-Text-Modus zurückgewiesen wurden.

Diese Retroausflüge wurden gerade beendet, als ich aus der Kursphase wechselte zum Schreiben der Masterarbeit – das neue Laureate Lens sieht nun so aus, wie es sich 2013 erwarten lässt. Inklusive alberner Social-Media-Integration (Mitstudierende in „Kreise“ ziehen), aber weitestgehend funktional. Für einige Sachen sind immer noch ein paar Klicks zu viel nötig, auch weil zum Beispiel der Zugriff auf die Bibliothekskonten direkt bei der University of Liverpool erfolgt, aber im Groben ist die Tastaturbeißgefahr niedrig.

Bei Ausfällen des Systems gewährt Laureate automatisch eine Erweiterung der Abgabefristen.

Mit was für einem Aufwand ist zu rechnen?

Ich hatte zu Beginn des Masterstudiums bereits einen Bachelor of Arts (Honours) an der Open University hinter mir, inklusive naturwissenschaftlicher Kurse und mit mehreren parallel laufenden Kursen. Somit ist das Nachfolgende also im Kontext eines Fernstudiumserfahrenen zu lesen.

Ein allgemeines Ächzen habe ich ja gleich zu Beginn kommuniziert, und darauf sollte man sich auch Einstellen. Das Problem liegt dabei weniger in der summierten Gesamtbelastung des Studiums als in der konstanten Notwendigkeit, aktiv zu sein. Selbst mit maximaler Cleverness (oder Notwendigkeit) ist es nicht möglich, sich weniger als drei Tage der Woche hinzusetzen, und diese Variante würde voraussetzen, an einem Tag alle Lektüre, die Anfangsaufsätze und wenigstens zwei Antworten zu verfassen. Eine typische Woche für mich sah tatsächlich Lesen bis zum Wochenende, dann am Samstagnachmittag das Schreiben der Auftakttexte, dann bis Mittwoch jeden Abend Forenaktivität und Vorbereitung der Abschlussaufgaben vor.

Das mögen in der Summe, und hier schätze ich wirklich grob, zehn, fünfzehn, selten zwanzig Stunden in der Woche sein, aber es ist ein völlig anderes Gefühl als der objektiv gleiche Zeitaufwand innerhalb frei einzuteilender Aktivitäten wie etwa bei der Open University. Berufliche oder familiäre Notfälle werden von den Tutorinnen und Tutoren natürlich als Aufschiebungsgrund in Einzelfällen akzeptiert, aber vom grundsätzlichen Rhythmus abweichen lässt sich dadurch nicht.

Es sollte klar sein: Das UoL-Masterstudium lässt wenig Flexibilität und zieht einen nicht unbeträchtlichen seines Anspruchs aus der straffen Taktung, wodurch eher aber tatsächlich auch recht zügig vorangeht (siehe meinen vorherigen Fazit-Beitrag).

Die Masterarbeit

Zu diesem Thema siehe auch mein entsprechender Beitrag

Wie läuft die Themenwahl ab?

Im Idealfall kamen während der zwei Jahre vor Beginn des ersten Einführungskurses schon Ideen. Eine einsehbare Liste vergangener Masterarbeitsthemen deutet dabei das Spektrum an, von eher geisteswissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich ethischer Fragestellungen über quantitative oder qualitative Analysen etwa zur Social-Media-Nutzung bestimmter Gruppen/Themen bis hin zur Programmierung kleiner Tools ist alles dabei.

Im Einführungskurs zum Master kann man dann die eigene Idee skizzieren und eine Betreuerin oder ein Betreuer meldet sich dann flugs; es scheint, das immer jemand für eher technische, eher sozialwissenschaftliche oder eben eher geisteswissenschaftliche Fragen da ist.

Wie geht es weiter?

Sobald das Thema grob feststeht, geht es an die Ausarbeitung des Proposals und später einer „Specification and Design“ – einer ausführlichen Themen- und Ablaufskizze inklusive etwas Risiko- und Projektmanagement. So kommen die Kenntnisse der vergangenen Kurse prima zur Anwendung!

Den letzten Teil des Studiums verbringt man in einem eigenen „Kurs“, in dem sonst nur noch die Betreuerin/der Betreuer ist. In meinem Fall wollte sie regelmäßigen Fortschritt im Forum diskutiert sehen. Für Fragen etwa zu Wortzahlabweichungen oder spezifischen „Kann ich das so machen?“ ist sie natürlich auch da.

In den letzten Wochen lud ich dann regelmäßig den Status Quo der Arbeit hoch und erhielt entsprechend Dokumente mit eifrig benutztem Markup-Modus zurück. Und wenn das Dokument dann zum letzten Mal per Turnitin hochgeladen ist, heißt es: gut ein halbes Jahr auf das Ergebnis warten.

Und sich dann hoffentlich freuen.

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