Landtagswahlen in Bayern 2013 (1): Ausgangslage, Bedeutung für den Bund, Umfragen

Politik

Von einem wichtigen Stimmungstest spricht Das Parlament-Autor Götz Hausding und meint dabei die Landtagswahl in Bayern an diesem Sonntag. Neben dem Superwahljahr ist der Stimmungstest feste Institution im Vokabelheft der Wahlberichterstattung, aber jenseits rein stilstischer Abnutzungserscheinungen stellt sich die wichtige Frage: Ist das überhaupt so, wenn in nunmehr fünf Tagen gewählt und gezählt wird? Kurzfassung: Nein.

Bayern ist nicht Bonn ist nicht Berlin ist nicht…

Bei Landtagswahlen fluktuiert traditionell der Einfluss zwischen Bundes- und Landesthemen. Die Popularität der Landesregierung, etwaige gescheiterte oder geglückte Reformen, Skandale oder Großbauprojekte treiben die Prioritätenliste; alleine, bayerische Stimmzettel haben ein deutlich stärkeres Lokalkolorit als jene in mittel- oder norddeutschen Flächenländern. Das heißt nicht, das bestimmte langfristige Entwicklungen sich nicht zumindest punktuell auch im Süden zeigen – etwa die Erosion der SPD (seit 2003 nicht mal mehr in Rufweite der 30-Prozent-Marke) oder die schwindende Mehrheit selbst für beinahe dynastische Regierungskoalitionen (Verlust der absoluten CSU-Mehrheit 2008). Alleine, zu einem Stimmungstest für die Bundespolitik taugt Bayern alleine schon deswegen nur bedingt, weil die für die Mehrheit der Deutschen zur Wahl stehende Unionspartei gar nicht zur Wahl steht und weil zahlreiche demographische Faktoren anders liegen. Frustrierte Ostdeutsche oder das Schimpfen auf Berlin mögen den Kanzlerkandidaten und Bundesministeraspiranten Edmund Stoiber bremsen, dem Ministerpräsident Edmund Stoiber stellten sie sich nicht entgegen. Am 13. September 1998 wiederholte sich zumindest terminlich die derzeitige Lage: Zwei Wochen vor der Bundestagswahl Urnengang in Bayern. Das Resultat damals jedoch war nicht einmal in relativer Betrachtung aussagekräftig für die Lage der Restrepublik:

  • zum ersten Mal seit 1974 legte die CSU wieder zu, wenn auch nur um einen Zehntel Prozentpunkt, und natürlich die ganze Zeit auf sehr souveränem Niveau. Allein, weder das absolute Ergebnis noch die relative Bestätigung hatten bundesweite Bedeutung, denn zwei Wochen später sollte nicht nur die Union insgesamt deutlich stürzen, sondern auch die CSU in Bayern etwa fünf Prozentpunkte weniger erhalten
  • Umgekehrte Vorzeichen dagegen für SPD und Grüne, beide verloren leicht an Zustimmung, ganz im Gegensatz zum 27. September.

Jede Art von Signalwirkung oder Stimmungstestigkeit für eine bayerische Landtagswahl scheint daher zumindest bemüht.

Die Umfragen: Stabil und zuverlässig, außer dies eine Mal

Blicken wir auf die veröffentlichten Umfrageergebnisse der letzten 15 Jahre und nehmen diese als Prognose für die tatsächlichen Wahlergebnisse, zeigt sich ebenfalls ein relativ stabiles Bild:

  • Die Zustimmung für die Grünen entsprach ziemlich genau ihrem tatsächlichen Ergebnis.
  • Die SPD wurde meist, das ist durchaus ungewöhnlich, durch die Bank leicht überbewertet.
  • Die CSU hingegen war meist recht präzise erfasst. Mit der großen Ausnahme 2008, als nicht nur die 50-Prozent-Marke fiel, sondern die Partei letztlich bei einem schon beinahe normalen Ergebnis, wie sie auch die Kurt Becks und Eberhard Diepgens dieser Welt erzielen, landete.

Wasser auf die Mühlen der Demoskopie-Skepsis, allerdings galt 2008, was auch in Niedersachsen galt: Es sind besondere Situationen und Wählerstimmungen, Last-Minute-Abweichungen und vielleicht völlig landesuntypische Faktoren, die an dieser Stelle zu tragen kommen. Das heißt nicht, dass die Umfragen per se sinnlos sind, sondern dass ihre Aussagekraft entsprechend eingeordnet werden muss. 2008 etwa trat die CSU mit dem für sie geradezu häretischen Konzept einer Doppelspitze aus Partei- und Regierungschef an, nicht mit einem. freundlich formuliert, eigenwilligen Patriarchen wie in allen anderen Jahren (und wie in 2013).

Die Aussichten: Blau

Es gibt daher wenig Gründe, anzunehmen, dass die außerordentlich konstanten derzeitigen Umfragen irren:

  • Die CSU kann sich einer absoluten Mehrheit ziemlich sicher sein, in allen Erhebungen seit Juli steht sie bei mindestens 47%, Tendenz leicht steigend.
  • Die Sozialdemokraten haben mit dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude genausowenig ein Zugpferd wie in den vergangenen Jahren, ein Ergebnis um die 20% steht zu erwarten.
  • Grüne und Freie Wähler sind sicher im Landtag, erstere womöglich knapp zweistellig.

Im wahrscheinlichen Fall, dass die Union demnächst die Alleinregierung stellt, ändert sich aus schwarz-gelber Sicht nichts an der Gemengelage. Anders sieht es aus, sollte nach dem 22. September eine Große Koalition auf Bundesebene regieren; dann wäre ein bayerische Einparteienregierung sicher auf Regierungsseite statt im neutralen Block. Zumindest formal.

Die Fragezeichen: Blau-gelb

Eine Partei hat bisher noch gar keine Erwähnung gefunden, auch weil sie in vier der letzten fünf Wahlen eher im Balken der sonstigen Parteien untergebracht hätte werden müssen: Die FDP. Derzeit pendeln sich die Ergebnisse für die Liberalen eher bei vier Prozent Wählergunst ein. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie in der künftigen Legislaturperiode nicht im Landtag vertreten sein können, weil CSU-Leihstimmen unwahrscheinlich sind: Weder möchten die Wählerinnen und Wähler der Regierenden tendenziell einen Denkzettel verpassen wie 2008, noch ist eine vertretene FDP vermeintlich unabdingbar für den Mitte-Rechts-Regierungserhalt wie in Niedersachsen 2013. Und ein sehr schwaches FDP-Abschneiden könnte durchaus für Wirbel sorgen. Disclaimer: Ich war von 2002/2003 bis 2009 Mitglied der FDP. Ich bin seit 2009 stilles Mitglied der Grünen.

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