Im Vorfeld der nunmehr gut einen Monat zurückliegenden Landtagswahl in Niedersachsen erklärte ich die Chancen, dass die FDP doch einen Einzug ins Landesparlament schafft, für verschwindend gering. Ein konstantes Verharren in den Umfragen, keinerlei Dynamik auf Bundes- oder Landesebene: Da gab es schlichtweg weder einen Grund noch einen historischen Präzedenzfall, um an einen wundersamen Wiedereinzug zu glauben.
Nun, die Realität hat auch dieser Serie einen Abbruch erteilt, die Liberalen erhielten ein historisches Ergebnis, und fünfzehn Jahre nach der Bestätigung Gerhard Schröders reichte es für die rot-grüne Regierung um Ministerpräsident Stephan Weil. Wenn auch denkbar knapp, und auch wenn mit mehr taktischen Stimmen sogar ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre.
Was bleibt von dieser Wahl neben einer gehörigen Unschärfe für den September? Einige Erkenntnisse:
- Wie erwartet, sind die Piraten nun, in Vermeidung jeglicher Nautikmetaphern, deutlich abgebremst worden und wurden noch im Wahlabend in den Balken der sonstigen Parteien verfrachtet.
- Gleiches gilt für die Linken, denen außerhalb Bremens und Saarlands in jüngster Zeit im ehemaligen Westdeutschland kein gutes Ergebnis gelungen. Ihre regionale Verankerung in den neuen Bundesländern mildert die Situation auf Bundesebene etwas ab.
- Die SPD regiert nun in allen Ländern außer Bayern, Hessen und Sachsen mit, stellt in zehn Ländern den Ministerpräsidenten – die Union nur noch in fünf (zusätzlich zu den eben genannten noch Thüringen und das Saarland). Die bundesweiten Umfragen sprechen allerdings eine deutlich andere Sprache.
- Zum ersten Mal seit der Landtagswahl in Hessen 1999 gibt es im Bundesrat eine Mehrheit für die Mitte-Links-Parteien (inklusive Brandenburg und Schleswig-Holstein). Mit einer solchen Situation sind aus Regierungssicht keine Möglichkeiten mehr gegeben, allein über das Verhandeln mit den neutralen Ländern (etwa Große Koalitionen) Abstimmungen in der Länderkammer zu gewinnen; Bundesratsinitativen wie jüngst zum Mindestlohn haben zwar keine tatsächliche Chance, wenn sie den unverändert zusammengesetzten Bundestag erreichen, erlauben der Opposition aber dennoch, wesentlich besser mit ihren Themen Präsenz zu zeigen.
Abschließend sei auf die schöne Visualisierung zum Bundesrat bei der Zeit hingewiesen – und noch einmal die Übersicht in der stimmentreuen Ansicht, die den hauchdünnen Vorsprung auch im Halbkreisdiagramm verdeutlicht:
Disclosure: Ich bin Mitglied der Grünen und war von 2002 bis 2009 Mitglied der FDP.