Landtagswahlen in Niedersachsen 2013 (2): Umfragen früher und heute

Politik

Morgen um 18 Uhr ist es wieder soweit: Animierte Balken- und Kreisdiagramme, Statements der Marke „Wir müssen diese Niederlage gründlich analysieren“ oder auch „Erst einmal feiern wir, morgen schauen wir dann, welche Optionen es gibt.“ Aber: wem kommt welches Skript zu? Die derzeitigen Umfragen in Niedersachsen geben einen guten Überblick, was im Nordwesten zu erwarten ist.

Die derzeitigen Umfragen zeichnen das Bild eines knappen Ausgangs:

  • die CDU von Ministerpräsident David McAllister klar stärkste Partei, allerdings konstant mit Zustimmungswerten unterhalb der Summe von SPD und Grünen
  • die SPD leicht über ihrem desaströsen 2008er Ergebnis, aber durchweg rund zehn Prozentpunkte hinter der CDU
  • Grüne deutlich im niedrigen zweistelligen Bereich
  • FDP maximal auf der Prozenthürde, jedoch in keiner Umfrage darüber
  • die Linke mit Ausnahme einer Zuckung – allerdings ist das auch gleich die zweitaktuellste Umfrage – deutlich unterhalb der Fünfprozenthürde
  • die Piraten waren das letzte Mal im Juli letzten Jahres über der wichtigen Schwelle

Umfragen in der Vergangenheit

Um ein Gefühl für die generellen Korridore der Umfragen zu bekommen, habe ich einmal kurz geplottet, wie die letzte Umfrage vor der Landtagswahl eines Instituts sich tatsächlich mit dem Resultat vertrug:

Negative Ergebnisse heißen, dass die Umfragen für eine Partei schlechter ausfiel als das Ergebnis. Positive Resultate entsprechen einer Überbewertung.

Inbesondere 2008 war in der Tat ein wenig außer der Reihe – die meisten Institute unterschätzten die Linke und schlugen der SPD zuviele Prozentpunkte zu, 2003 hingegen war die FDP deutlich unterbewertet. Übertragen lässt sich das nur in Teilen, da die Linke auch 2008 in einem westdeutschen Flächenland noch keineswegs Standard war und in der Schätzung und Gewichtung somit einige Herausforderungen bot.

Einige Prognosen

Die derzeitigen Korridore für CDU, SPD und Grüne scheinen jeweils plausibel, wobei im Nachhinein einzelne Prozentpunkte über die Regierungsmacht entscheiden werden. 

Die Piraten werden mit einer am Rundungsfehler zur 1 rangierenden Wahrscheinlichkeit nicht in den Landtag einziehen. Im Gegensatz zu etwa der unterschätzten Entwicklung in Berlin ist hier eben kein Impuls, keine Richtung erkennbar, sondern Stagnation auf dem niedrigen Niveau.

Ähnliches, wenn auch weniger drastisch, gilt für die Linken. Eine Umfrage der letzten Monate sah die Partei im Landtag. Das ist nicht völlig zu ignorieren, gerade angesichts der Aktualität. Aber wenn eine große Menge an Daten eine These bestätigt, ist es wahrscheinlich, dass eine gegenteilige Umfrage eben ein Ausreißer ist und nicht der einzige, der den nackten Kaiser erkennt. Möglich wäre neben üblicher statistischer Streuung zum Beispiel eine Umfrage, bei der zuvor Peer Steinbrück gezielt erfragt wurde. Anders ist es, wenn die Institute ähnlich daneben liegen wie 2008 – immerhin zeigt die SPD in Niedersachsen eine vergleichsweise seltene Strahlkraft in den Umfragen.

Kompliziert: Einschätzung der FDP

Die FDP sollte viel Kamillentee für den Abend bereithalten. Zu den am häufigsten in diesem Blog diskutierten Fragen zählt die Argumentation, dass eine Partei angeblich deutlich unter 5 Prozent demoskopiert gewesen wäre und dann doch mit Pauken und Trompeten den Einzug schaffte. Für diese These gibt es keine Belege – die Piraten etwa überboten ihre Umfragen zwar in Berlin, hatten jedoch eine deutliche Bewegung, was den demoskopischen Nachlauf aufgrund des Umfragezeitraums schlichtweg überfordert.

Gleiches gilt etwa für die 2000er-Kampagne der FDP in NRW. Bei besonders knappen FDP-Ergebnissen wie Hessen 1999 sah die Situation eher anders aus, die Liberalen landeten von oben herab knapp über der Hürde, nicht anders herum. Ein möglicherweise interessantes Beispiel findet sich mit etwas Recherche: die Landtagswahl in Niedersachsen 1998. In der PDF-Version dieses Artikels findet sich zumindest der Hinweis auf eine Umfrage, welche die Situation der Liberalen spiegelt: Emnid sah die Liberalen bei genau 5%.

Bekanntermaßen gelang den Liberalen, damals in einer durchaus vergleichbaren Situation, nicht der Einzug. Und das scheint mir, wenn auch etwas weniger sicher als bei Linken und Piraten, auch in diesem Fall die wahrscheinlichere Lösung. Eine Partei mit soliden 5 Prozentpunkten Zustimmung würde irgendwann allein durch die Streuung auch einmal über der Marke liegen – das ist bei der FDP nicht gegeben.

Fazit: Ein langer Abend wahrscheinlich

Aufgrund der subtilen und-dann-doch-irgendwie-nicht-Leihstimmenkampagne der niedersächsischen CDU wiederum heißt das, bei einem Nichteinzug der Liberalen sind ihre Chancen auf eine absolute Mehrheit geringer. Stünde die FDP mit drei Prozent vor den Toren und hätte McAllister zusätzliche Abgeordnetensitze dafür, wäre die Situation eine andere. So könnte es wie jüngst im Saarland oder 1999 in Hessen ein langer Abend werden, an dessen Ende einige Hundert Stimmen den Unterschied machen.

Für Niedersachsen, den FDP-Vorstand,  und die Narrative um die Neuauflage von Rot-Grün.

Disclosure: Ich bin Mitglied der Grünen und war von 2002 bis 2009 Mitglied der FDP.

One Reply to “Landtagswahlen in Niedersachsen 2013 (2): Umfragen früher und heute”

  1. […] Analyse vor der Wahl 2013 ergab, dass die FDP immer ein klein wenig zu schlecht eingeschätzt wurde und, deutlich schwächer, […]

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