Kochkurs im Kochhaus – ein Erfahrungsbericht

BerlinNahrungsmittelzufuhr

Zu einem der bemerkenswerten Gentrifizierungsfeatures von Prenzlauer Berg zählt der damit einhergehende Strukturwandel im Einzelhandel. Offensichtliche Neuzugänge sind alle möglichen Läden, in denen man Kaffeegetränke in Pappbechern oder Biokram in Papiertüten heraustragen kann. Ein weiteres Beispiel lässt sich seit einiger Zeit an der Eberswalder Straße beobachten. Genau an jener gemeingefärlichen Kreuzung mit drei Straßenbahnlinien hat sich im spitzen Winkel der Pappelalllee der ehemalige Rossmann verabschiedet und dafür einem Kochhaus Platz gemacht.

Kochhaus, das „begehbare Rezeptbuch“, legt im Nahrungsmitteleinzelhandel den Schwerpunkt klar auf Usability bei reduziertem Funktionsumfang: Angeboten werden nicht einfach Produkte im Regal (abgesehen von etwas Wein-, Pesto- und Brotaufstrichauswahl), sondern jeweils wechselnde Rezepte, für die meist alle Zutaten direkt in exakt der nötigen Dosierung zur Hand stehen.

Kurz gesagt: Ein großartiges Konzept: Das lange Suchen nach der ein oder anderen exotischen Zutat in Rezepten entfällt, ebenso die Frage, was nun mit dem Rest der 500-Gramm-Packung Exoticum für die nächsten Jahre geschehen soll. Auch der Auswahlprozess für das Rezept geschieht eben direkt vor Ort und erlaubt es, das so verbindende gemeinsame Kochen zu erleben, ohne die weniger annehmlichen Komponenten daran. Für Kochhaus wiederum liegt der Vorteil in einer auf die tatsächliche Menge der Nahrungsmittel höheren Marge und natürlich in einer allgemeinen Kundschaft, die für Nahrungsmittel grundsätzlich angemessene Preise zu zahlen bereit ist.

Wir haben bis jetzt vier Rezepte von Kochhaus ausprobiert und waren ein jedes Mal zwischen angetan und extrem begeistert. Was lag also näher, als einmal einen der angebotenen Kochkurse anzunehmen? 75 Euro pro Person sind nicht eben wenig, aber zum Beispiel bei Mydays oder Jochen Schweizer kosten die Kurse grundsätzlich ähnlich viel. Da das Zubereiten der Rezepte sonst immer viel Spaß macht und auch Lerneffekt bringt, sahen wir dem Kurs „Genüsse der mediterranen Winterküche“ mit einiger Vorfreude entgegen.

Erste Feststellung am Abend des Kochkurses: Organisation scheint nicht die Stärke des Ladens zu sein. Der Koch hatte offenbar nicht bescheid bekommen, dass Vegetarier unter den Teilnehmern waren – angesichts der Tatsache, dass das ein Standard-Formularfeld bei der Registrierung ist und wir auch vorher im Laden nachgefragt hatten, verwunderlich.

Vierzehn Teilnehmer indes mögen für Kochhaus eine stabile Einnahmequelle sein, für einen intensiven Kurs ist es etwas zu viel – allein, weil der Platz an der Kücheninsel gerade noch so ausreichte. Die eigentliche Arbeit hingegen ließ sich nur mühsam gleichmäßig verteilen – beim Gemüseschneiden waren noch alle beschäftigt, doch später gab sich das immer mehr, so dass nur die strategisch am Herd platzierten wirklich mitspielen durften. Immerhin: Der Koch selbst überzeugte, konnte bei allen Fragen über Garzeit und -verhalten von tierischen und pflanzlichen Zutaten sein Wissen präsentieren; dessen Weitergabe stand aber nur teilweise im Vordergrund – aber es gibt ein Rezeptheftchen zum mitnehmen, wenn auch weniger schön gemacht als die üblichen Kochhaus-Broschüren. Einige (wenige) Dinge machte er auch komplett selbst.

Allerdings: Das Essen, auch wenn der „Selbst gemacht“-Faktor höher heute sein können, war wirklich phantastisch – nur die Nachspeise, der Kochhaus-Dauerbrenner halbflüssiger Schokokuchen, enttäuschte etwas.

So ist der subjektive Eindruck des Abends eher der eines Seminars mit ein wenig Zuarbeit für den Koch und einem (großartigen!) gemeinsamen Abendessen mit anderen (überwiegend) Paaren aus Prenzlauer Berg, genauso unterhaltsam, wie man es sich vorstellt. Das Kochhaus-Personal schenkte zwischendurch eifrig Rot- und Weißwein nach, was einige der Teilnehmer als primäre Quelle zu nutzen schienen, um die 75 Euro wieder hereinzuholen.

Der Abend war in der Summe unterhaltsam, lecker und gar nicht einmal so kurz – nur unter dem Titel „Kochkurs“ sollte man sich keine allzu großen Vorstellungen machen.

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