Volksentscheide in Berlin – ein Vergleich

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Es ist passiert. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundeslandes Berlin ist ein Volksentscheid tatsächlich formal erfolgreich gewesen. Unabhängig davon, was nun tatsächlich mit Unser Wasser und den juristischen Fußnoten geschehen wird, ist dies Anlass genug für einen spontanen Ausflug, die drei bisherigen Volksentscheide in Berlin zu vergleichen. Der Tagesspiegel hat dazu übrigens auch eine Übersicht mit den bisherigen Volksbegehren, und selbstverständlich ist die Quelle für nachfolgende Informationen die Landeswahlleiterin Berlin.

Aber wie verhält sich denn die Entwicklung in den einzelnen Bezirken genau mit der Wahlbeteiligung (und nur diese betrachte ich in diesem Beitrag – siehe Jos Kommentar zum Fehlen jeder Opposition in diesem Fall)? Dieser Frage bin ich einmal nachgegangen. Zunächst einmal die Wahlbeteiligungen für die Entscheide zum Flughafen Tempelhof, „Pro Reli“ und dem heutigen „Unser Wasser“ in der Tabelle:

Ich habe dabei, gerade für die Visualisierungen, eine Sortierung in drei Gruppen vorgenommen: Die Bezirke des ehemaligen Westberlins, die beiden Mischbezirke in der Mitte sowie schließlich jene Bezirke Ostberlins. Innerhalb dieser Gruppen wiederum habe ich so sortiert, dass es möglichst einfach ist, einen Trend zu erkennen. Visuell aufbereitet:

Einige Tendenzen lassen sich daraus direkt erkennen:

  • Die Tempelhof-Abstimmung hatte insgesamt den größten Zulauf – mit Ausnahme von drei Ostberliner Bezirken, wo die Wahlbeteiligung für die Offenlegung der Wasserverträge größer war (wenn auch teilweise nur 0.1 Prozentpunkte), kam das Votum um den ehemaligen Flughafen auf die mit Abstand größten Beteiligungen.
  • Sowohl Pro Reli als auch die Volksabstimmung zum Flughafen zeigten eine enorme Spreizung der Wahlbeteiligungen um rund 20 respektive beinahe 30 Prozentpunkte.
  • Auch wenn die Spreizung abgenommen hat: Die Westbezirke haben bei jeder Abstimmung eine höhere Beteiligung als ehemaligen östlichen Bezirke.

Um die Abweichungen noch einmal aufzubereiten, habe ich einmal mit der Macht der bedingten Formatierung nachgestellt, wie groß der Unterschied zwischen der jeweiligen landesweiten Beteiligung und der im Bezirk war.

Lesebeispiel: Bei der Abstimmung für Pro Reli lag die Wahlbeteiligung in Steglitz-Zehlendorf um 12.2% höher als im Landesdurchschnitt. Besonders bemerkenswert finde ich:

  • In Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf waren die Beteiligungsunterschiede sehr drastisch, um rund acht Prozentpunkte fiel sie zwischen „Pro Reli“ und dem gestrigen Plebiszit. Das hat zur Folge, dass der Bezirk am Kurfürstendamm nun erstmals unter Berliner Durchschnitt lag, und zwar deutlich.
  • Treptow-Köpenick hingegen ist zum aktivsten Bezirk geworden.
  • Am konstantesten, wenn auch auf wenig erbaulichem Niveau, ist das Beteiligungsschlusslicht Mitte.
  • Auch innerhalb ähnlich gestarteter Bezirke gibt es durchaus unterschiedliche Entwicklungen, wie etwa am Vergleich zwischen Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf oder Reinickendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf deutlich wird. Das zeigt, dass es sich lohnen würde, einmal Untersuchungen nach Kriterien wie Siedlungsstruktur oder Konfessionalität durchzuführen. (Dass für den Flughafen Tempelhof mehr Tempelhofer wählen gehen, ist dabei vergleichsweise trivial.)

One Reply to “Volksentscheide in Berlin – ein Vergleich”

  1. jo sagt:

    Interessant ist bei diesem Volksentscheid vor allem die Aufschlüsselung nach pro/contra-Wählern:

    dafür dagegen gesamt
    Tempelhof 21,7 14,3 36,1
    Pro-Reli 14,1 15,0 29,2
    Wasser 27,0 0,5 27,5

    Schnell sieht man, dass der Wasser-Entscheid mit Abstand das erfolgreichste Begehren war. Bemerkenswert ist dabei das Fehlen jeglicher Opposition. Dies ist meiner Meinung nach ein entscheidender Grund für die geringere Wahlbeteiligung. Das ist auch insofern beeindruckend, da der Wassertisch mit einem vergleichsweise verschwindend kleinen Budget arbeiten musste im Vergleich zu den Initiatoren der anderen beiden Volksbegehren. Des weiteren transportierten die Medien im vornherein den Entscheid als weitestgehend überholt. Insofern ein sehr wichtiges Ergebnis für die direkte Demokratie. Scheinbar ist es (zumindest in Berlin) nicht so einfach solch einen Entscheid durch Kampagnen so stark zu beeinflussen, als dass das Mittel des Volksentscheids von Interessengruppen missbraucht werden kann. Die geringe Homogenität der berliner Bevölkerung wird hier sicher nicht unschuldig sein.