Landtagswahlen 2011: Zeit der Entscheidung oder viel Lärm…?

Politik

Insgesamt sechs Landtage respektive dieser Funktion entsprechende Stadtparlamente werden in diesem Jahr gewählt. (Bitte obligatorischen „Superwahljahr“-Satz inklusive selbstironischer Distanzierung denken. Danke.) Neben den jeweiligen Auswirkungen auf die Landesregierung sind die Signalwirkungen auf die Bundespolitik von besonderer Beachtung sowie gegebenfalls das Mehrheiten-Tetris im Bundesrat. (Die Zeit hat dazu auch einen zusammenfassenden Artikel zum Einstieg.)

Bemerkenswerterweise: Was den Bundesrat angeht, so war das mit einer Landtagswahl (NRW) quantitativ eher überschaubare 2010 spektakulärer, denn die Regierungsmehrheit wurde durch das rot-grüne Kabinett in Düsseldorf gekippt. (Die öffentliche Wirkungen mehrerer Landtagswahlen ist davon natürlich unberührt.)

Die wirklich spannende Frage, mit der ich die Analysen und damit das Blogjahr 2011 einleite: Gibt es eine Chance für Schwarz-Gelb, die Mehrheit zurückzuerobern? Oder erhöht sich zumindest der Pool an leichter „verhandelbaren“ Ländern, also solche mit Koalitionen, in denen wenigstens eine Regierungspartei beteiligt ist? Oder besteht sogar primär die Gefahr, dass sich die Oppositionswand zementiert und damit für Merkel folgt, was Gerhard Schröder erlebte: Nachdem in Hessen die rot-grüne Regierung durch Roland Koch abgelöst wurde, war es zwar mit der eigenen Mehrheit in der Länderkammer dahin, aber zumindest blieben lange noch genügend Länder im neutralen Block – bis sich das mit der Übernahme von Sachsen-Anhalt im Frühjahr 2002 änderte.

Die Ausgangslage

Ausgangslage für den Bundesrat 2011 - für Vollbild mit lesbaren Texten einfach klicken.

Geordnet nach politischen Blöcken, sind die Schauplätze:

  • Länder mit Schwarz-Gelber Mehrheit: Baden-Württemberg (6 Bundesratssitze), formal derzeit auch Hamburg mit der CDU-Minderheitsregierung (3)
  • Neutraler Block/Große Koalitionen: Mecklenburg-Vorpommern (3) und Sachsen-Anhalt (4)
  • Länder mit Mehrheiten der Bundestagsopposition: Rheinland-Pfalz (4), Bremen (3) und Berlin (4)

Schauen wir uns, zunächst noch einmal eher oberflächlich, der Reihe nach die Möglichkeiten an:

Landtagswahlen und ihre Auswirkungen auf die Lagergewichtung im Bundesrat 2011 - für Vollbild mit lesbaren Texten einfach klicken.

  • Worst Case aus Sicht der Bundesregierung: Baden-Württemberg – übrigens das einzige Land mit exakt derselben Regierungsparteienkonstellation seit 1995 – fällt aus dem schwarz-gelben Block, es kommt nicht einmal zu einer Großen Koaltion; Hamburg bekommt eine SPD-geführte Regierung oder gar absolute SPD-Mehrheit. In diesem Fall schrumpft die Sitzzahl von derzeit 34 (respektive 31 ohne Hamburg) auf 25. Die Parteien des Mitte-Links-Lagers haben bereits mehr Sitze im Bundesrat, sobald Baden-Württemberg die Seiten wechselt (derzeit sind es 21, mit Hamburg und Baden-Württemberg schon 30). Sollte darüber hinaus Mecklenburg-Vorpommern eine Rot-rote Regierung oder ähnlich bekommen, wäre das Oppositionslager mit 33 Sitzen knapp vor der absoluten Mehrheit im Bundestag.
  • Best Case aus Sicht der Bundesregierung: Die Regierungen in Stuttgart und Hamburg bleiben, je nachdem mit oder ohne FDP-Beteiligung. In Rheinland-Pfalz erobert Julia Klöckner den Thron Kurt Becks und sackt damit vier Bundesratssitze ein – schon stünde die Mehrheit wieder (sogar ohne Hamburg). Ich bezeichne das einmal vorsichtig als ein nach derzeitigem Umfragebild nicht eben wahrscheinliche Ereignisfolge, selbst mit einem FDP-Wiedereinzug in den Mainzer Landtag.
    Aber weiter gedacht: Die Stadtstaaten sowie Mecklenburg-Vorpommern könnten jeweils drei (bei Berlin vier) Delegierten-Stimmen aus dem oppositionellen beziehungsweise neutralen Lager zur Regierung schieben.
    Nichts davon scheint zum derzeitigen Zeitpunkt wahrscheinlich – aber das Jahr ist ja noch jung. Wer weiß, was eine plötzlich einberufene „Was nun…“-Sendung mit Gerhard Schröder oder Franz Müntefering bringen könnte…
  • Was wir im Informatik-Unterricht Average Case genannt haben oder halt „irgendwo in der Mitte“: Zumindest eine der Großen Koalitionen bleibt bestehen, zumindest gibt es kein Rot-Grün im Südwesten, vielleicht helfen die ewigen Zankereien zwischen SPD und Linken um den Ministerpräsidentenposten, wenn die Sozialisten stärkste Partei geworden sind, oder auch Händel in Berlin zu weiteren großen Koalitionen. Vielleicht bleibt die FDP zuwenigst in den Landtagen von Stuttgart und Mainz. Das erhöht zumindest den Spielraum im Bundesrat.

In einem Jahr kann viel passieren. Affären, spektakuläre Bürgerproteste, vielleicht überraschende außenpolitische Erfolge – die Erfahrung zeigt, dass in zwölf Monaten viele Konstanten doch als variabel gelten müssen. Daher wird das Jahr spannend bleiben – und dieser Blog sich natürlich jedem Bundesland eigens zuwenden.

Eins noch: Ich habe mit den Infografiken in diesem Beitrag lange experimentiert und bin mir ob ihrer Aussagekraft unschlüssig – freue mich daher über Feedback und Vorschläge jeder Art!

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Beitrages gab es Unstimmigkeiten zur Stimmenanzahl von Berlin im Bundesrat – die Infografik enthielt die richtige (vier) Ziffer, Text der Grafik und Fließtext gingen fälschlicherweise von einem weniger aus.

3 Replies to “Landtagswahlen 2011: Zeit der Entscheidung oder viel Lärm…?”

  1. Jo sagt:

    Hat Berlin nicht 4 Stimmen im Bundesrat? Zumindest laut Wikipedia.

  2. Der Burtchen sagt:

    Ja, Berlin hat vier Stimmen. Ist in der Abbildung auch richtig, nur die Zahl selber habe ich falsch niedergeschrieben. Hm. Ich gehe das mal unauffällig korrigieren.

  3. Ich hoffe lediglich, dass sich die aktuellen Umfragen bewahrheiten und die Union in BaWü zu spüren bekommt, dass man so auf keinen Fall Politik machen kann. Mappus als Atom-Befürworter von früher hat doch jede Echtheit verspielt. In Rheinland-Pfalz läuft wohl alles auf Beck hinaus. Der hat in der jüngsten Zeit auch keine schlechte Figur gemacht.