Vorbemerkung: Da relativ viele Leute über Suchmaschinen zu diesem Artikel stoßen: Nein, hier gibt es keinen Siedler-7-Test und auch keine weiteren Informationen zur Güte des Spiels. Später vielleicht, jetzt nicht. Schaut doch stattdessen mal beim Siedler-7-Test von Gamersglobal vorbei.
Update 2: Da möchte ich die Gelegenheit doch nutzen, um auf diesen Artikel bei Making Games zur Genesis des ganzen Konzepts hinzuweisen: Die Siedler 7 – Redesign einer Institution.
Nachfolgend der ursprüngliche Artikel:
Siedler 7 kommt. Das war nicht überraschend. Die Vorgeschichte ist reichlich, die Serie spinnt sich ihre Wege mittlerweile sowohl in einer Traditionsreihe nach dem Siedler-2-Prinzip (letzte Auskopplung: Das spielerisch solide, musikalisch grausame Aufbruch der Kulturen) als auch die Evolutionsreihe, die auch international was reißen soll.
Einschub: Die Herausforderung des Siedler-Bauens
Den Rang oberster Aufbaugüte hat die Serie verspielt: Zu erratisch und unstet waren die Entwicklungen, zu wenig hat ein wirkliches „Branding“ stattgefunden. Fans streiten, ob Teil zwei oder drei der Beste war, die übrigen Titel tauchen in Diskussionen nur als dieser komische „Sonstige“-Balken der 18-Uhr-Prognosen auf. Kommerziell lief die Serie zumindest hierzulande immer – wobei die Tatsache, dass für Aufstieg eines Königreichs (Siedler 6) nur ein Add-on erschien und für Aufbruch der Kulturen gar keins, eher auf mäßig begeisternde Flipcharts hinweist, schließlich hatte Teil 5 noch zwei Erweiterungen bekommen der Aufbruch der Kulturen-Vorgänger Die nächste Generation immerhin noch die Wikinger-Kampagne.
Logistiksimulation, direkter Aufbau mit Siedler-Häusern und Echtzeitkampf, dann Vereinfachung des Wirtschaftsteils zugunsten von mehr Kämpfen, dann Vereinfachung und Verlangsamung des ganzen Spiels – eine strübingente Entwicklungsstrategie sieht anders aus. Klar, die Herausforderungen für Siedler-Entwickler sind hoch:
- die Hardcore-Fans befriedigen, auch die in den Medien – braucht also genügend Spieltiefe und Siedler-Gefühl sowie überzeugende Optik,
- Nicht-ganz-so-oft-Spieler erreichen, auch über Tageszeitung und Fernsehen – braucht neben der ohnehin nötigen visuellen Überzeugungskraft griffige Beispiele und Geschichten, ein in Sekunden erklärbares Gameplay; und nicht zu hohe Hardware-Anforderungen,
- Spieler außerhalb Mitteleuropas ansprechen, dazu braucht es zumindest oberflächlich ein leichtes Beherrschbarkeitsgefühl, etwas mehr Action – und natürlich ebenfalls gute Grafik
- sich von Anno (das ausgerechnet jetzt ebenfalls spätmittelaltert!) hinreichend absetzen, auch wenn das Problem hausintern durch koordinierbare Release-Zyklen beherrschbar wird.
Das sind schon einmal mehr Wünsche, als ein handelsübliches Überraschungsei im Pflichtenheft stehen hat, und es erklärt das Mäandern der Serie zu gut.
Mit den Regeln eines Brettspiels. Zumindest teilweise
Ich will mich gar nicht lange mit Details zu Forschung, Kampfsystem und Baumechanik aufhalten, die man zuhauf nachlesen kann. Der entscheidende Punkt ist nicht, ob man Siedler in separaten Wohnhäusern erhält oder ob der Bäcker automatisch kommt. Er ist auch nicht (könnte aber sein), ob Figuren direkt oder indirekt kontrolliert werden. Der Bruch, den Bluebyte jetzt vollzieht, ist viel fundamentaler: Siegpunkte. (Jetzt bitte beliebigen Satz mit „wie bei Siedler von Catan“ denken)
Das kann funktionieren, besonders im Mehrspielermodus. Das kann viel Spaß machen. Aber: Es bricht, so wie ich es derzeit verstehe, mit einer der etabliertesten Konventionen der gesamten Branche. Denn für gewöhnlich gewinnt man ein Spiel, indem man:
- die meisten Spielwelt-Gegner zu Kartoffelbrei haut, inklusive sämtlichen Obermotzen
- alle Aufgaben erfüllt und damit in der Spielwelt alle Einwohner, Questgeber oder wasauchimmer zufriedenstellt
- alle Rätsel in der Spielwelt löst und so in dieser seinen Agenten voranbringt
Was fällt auf? Genau: Man gewinnt in der Spielwelt, ohne Zwischenebene. Punkte gibt es natürlich – der Indy-Quotient oder meinetwegen auch die Zähler am Ende von Warcraft-2- und Starcraft-Partien, aber sie sind nicht wirklich relevant. Was zählt, ist das, was ich direkt auf dem Spielfeld erlebe.
Natürlich funktionieren Siegpunkte gut bei Brettspielen. Carcassonne, Alhambra (auch wenn’s mir selbst weniger gefällt) oder eben Catan machen das prima – aber eben sind eben Brettspiele. Mit der Einführung einer zusätzlichen Repräsentanzebene machen Bluebyte und Ubisoft das genaue Gegenteil einer derzeit gängigen Entwicklung: die iPhone-, Mirror’s-Edge- oder Wii-Konzepte laufen darauf hinaus, möglichst wenig zwischen Spieler und Spiel zu haben. Die Siegpunkte dagegen erhöhen grundsätzlich den Abstraktionslevel.
Das heißt nicht, dass es nicht prima funktionieren kann. Wenn es gut läuft und von den Spielern als siedlerkompatibel wahrgenommen wird, kann das sogar der Beginn einer Entwicklung in diese Richtung sein. Ludo Normalspieler beschäftigt sich ja nicht aktiv mit Metaebenenzählungen, sondern will einfach, dass das Produkt flüssig läuft und Vergnügen bereitet. Andererseits wird kaum jemand bestreiten können, dass etwa ein offen einsehbarer, visuell kommunizierter Lagerstand eingängiger ist als ein Zahlenwert.
Wie so oft gilt, dass der Schlusspfiff erst folgt, wenn die Packung mit Siedler 7 auf meinem Schreibtisch liegt. Bis dahin wünschen ich den Düsseldorfern viel Erfolg und verharre gespannt und metaebenenjonglierend.
Siedler 2 war das erste Spiel, in das ich 30 Stunden und mehr pro Partie investiert habe; bis heute dudelt die Melodie in meinen Ohren. Leider habe ich keine Erfahrung mit den danach erscheinenden Versionen, zu abschreckend erschien mir die Resonanz der Spieler.
Die Beobachtung mit dem Abstraktionslevel zwischen Spieler und Gespieltem finde ich interessant. Als Grund, warum eine solche zwischengeschaltete Ebene zusätzlich eher hinderlich ist, fällt mir noch ein, dass Spieler anscheinend heute noch viel weniger in der Lage sind, sich mit Interface-Funktionen, Tutorials und Unter-Untermenüs auseinanderzusetzen, geschweige denn mit Siegpunkten. Bei Spielen mit Siegpunkten, vor allem bei dem Brettspiel Carcassonne habe ich es gemerkt, dass das Zählen der Siegpunkte am Ende in keinem Verhältnis zum Spielgefühl steht. Anders: Nach einer Partie Carcassonne war da das Gefühl „Partie beendet“ mit der nächsten Aktion „Ach ja, gucken wer gewonnen hat!“.
Insofern stimmt es, dass, wie Du sagst, Spieler einfach nur wollen, dass „das Produkt flüssig läuft und Vergnügen bereitet“.
„Siegpunkte“ koennen ja visuell repraesentiert werden – dann sind sie nicht mehr so abstrakt. Ich denke da an Civilization, welches mehrere solcher Mechanismen enthält. Einerseits der Vergleich mit anderen Persönlichkeiten der Weltgeschichte, andererseits noch der Bau eines schicken Palasts, der im Spiel selbst keinen Zweck hatte.