Bürgerschaftswahlen in Hamburg (2020): Ausgangslage und Umfragen

Politik

Die SPD taumelt seit einiger Zeit wie die Fußball-Nationalmannschaft der Herren unter einem gewissen Erich „Nein, das mit den Birnen ist der andere“ Ribbeck. Umso erfreulicher sind daher die wenigen Ausnahmen für die Sozialdemokraten, etwa die Bestätigung ihres Ministerpräsidenten in Brandenburg.

Die vergangenen Wahlen: Pro Verwirrung

Der Trend der letzten Jahre, wonach Regierungsparteien dann noch ganz okay abschneiden, wenn sie nicht nach wirklich jeder Betrachtungsweise Mist gebaut haben, wird sich wohl diesen Sonntag fortsetzen und den Sozialdemokraten weiter das Trio der Stadtstaaten-Regierungen erhalten1.

Hamburgs Geschichte der letzten zwanzig Jahre ist die einer Reihe aufstrebender Klein- und Mittelgroßparteien, 2, die nach anderthalb Legislaturen im Untergrund oder in Brasilien versinken.

Ergebniss bei den letzten sieben Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft. Anmerkungen: Die PDS trat vor ihrer Vereinigung mit der WASG nur unregelmäßig in Hamburg an. Das PRO-Ergebnis für 2004 für die PRO DM/Schill, die eigentliche PRO (ohne Schill) kam auf 0,4 Prozent.
  • Die CDU erlebte unter Ole von Beust einen grandiosen Höheflug, ohne diesen scheint sich jedoch ein langsamer Abwärtstrend fortzusetzen.
  • Und die SPD? Fuhr 2011 eine absolute Mehrheit ein und 2014 immer noch eine komfortabel angeführte Regierung.
  • Für eine Großstadt sind die Grünen-Ergebnisse gar nicht mal so gut.
  • Die FDP schaffte in fünf der vergangenen acht Wahlen den Einzug.
  • Seit sie ernsthaft mitspielt, kommt die Linke auf ein stabiles Ergebnis, ohne andere Mehrheiten zu gefähren.

Die Aussichten: Ruhepol im Sturm für die SPD

Ein Blick auf die aktuelle Umfragelage prognostizieren eine SPD nahe der Vierzig-Prozent-Marke, eine satte Mehrheit für Rot-Grün und ein CDU-Ergebnis nahe an der Einstelligkeit. Und mit Ausnahme einer leichten Unterschätzung des „Ist Helmut Schmidt wieder da?“-Ergebnisses von 2011 gibt es in jüngster Zeit keine großen Ausfälle der Demoskopen.

Demnach zeichnet sich in Hamburg im Grunde ähnliches ab wie in den drei Neuen Bundesländern, die 2019 wählten: gute Ergebnisse für die Regierungspartei und „bringt die strategischen Lange-Gesichter-Reserven“ für die andere Partei der Großen Koalition. Ein langer Abend für die FDP, solider Ausbau für die Grünen, und, wie mittlerweile in den Alten Bundesländern üblich, bestenfalls eine minimale Zuwäche für die AfD.

Die offensichtlichen Fragen hierbei: Können die aktuellen Umfragen irren?3 Haben die jüngsten politischen Ereignisse, also der Einbezug der AfD für einen FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen und die rassistischen Morde in Hanau, einen Einfluss?

Das halte ich für kaum wahrscheinlich.

  • Die Hamburger FDP gehörte zu den ersten Gruppierungen der Partei, die sich vom Erfurter Desaster distanzierten. Zudem sind sie generall im Auftreten eine seit ihrer Beteiligung an der Abstimmung gegen die Schulreform 2010 ein professionell organisierter Verband mit streitbarem, aber wirkungsvollem Auftreten.
  • Dass Menschen, die bei der AfD ihr Kreuz machen – einer Partei also, die sich explizit dagegen richtet, Rechtsextremismus und Rassismus als ernsthafte Probleme im Land anzusehen -, von Hanau „wachgerüttelt“ werden, halte ich für unwahrscheinlich. Es war nicht die erste Anschlagsserie, die sich explizit gegen Menschen mit Migrationshintergrund richtete. Es war auch nicht die einzige Schlagzeile seit Jahren, die die Gefahr illustriert. Da gibt es wenig, was auf unmittelbaren Gesinnungswandel hindeutet.

Offenlegung: Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Ich war von c. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP.

  1. Auch wenn sie in Bremen nicht stärkste Fraktion geworden sind und die Zeichen für Berlin 2021 auch nicht so gut stehen
  2. Ärgerlicherweise alle mit ähnlicher Farbgebung in ihrem Design.
  3. Die Untersuchung der Universität Hamburg hat sowieso ihre eigenen Probleme.

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