„Die Caesar-Serie ist ein Stück Magie“ – Interview mit Chris Beatrice

Spieltrieb

Vor einer Weile habe ich längere Ausführungen über den künstlerischen Stil der Impressions-Games-Spiele gehalten. Aufhänger war ein Fundstück über die eigentlich sehr farbenfrohe Oberfläche antiker Statuen im Vergleich zu ihrer eher klinischen Überlieferung als sterile Weißflächen. Und das wiederum hat mich dazu gebracht, die Farbgebung der bekannten „City Building Series“ von Impressions Games zu betrachten, die genau hier mehrere Aspekte aufgreift: sowohl die farbarme Togaparty-Stimmung eines Caesar als auch eine bunte, geradezu joviale Koloratur bei Zeus.

Ich freue mich sehr, dass Chris Beatrice, dereinst langjähriger Mitarbeiter bei Impressions, mir ein paar Fragen hierzu per Email beantwortet hat. Die englischen Original-Antworten sind auf der zweiten Seite dieses Beitrages zu finden, das nachfolgende Interview ist minimal editiert, Hervorhebungen im Text sind von mir.

Wie würden Sie den künstlerischen Stil von Caesar 3 beschreiben? Wie wurde der entschieden, wieviel war eine scheinbar offensichtliche Fortsetzung der vergangenen Teile?

Ich war ja nicht der Art Director bei Caesar 3, damals war ich gerade Creative Director für das gesamte Studio. Wie ich den Stil beschreiben würde? Nun, in diesen Tagen war die Firma noch sehr das Kind [des Firmengründers] David Lesters. Auch wenn er schon dabei war, die Firma abzugeben – alle Spiele vorher außer Robert E. Lee waren seine Werke. Seine Ästhetik war etwas trocken, realistisch, hell, aber historisch. Zu diesem Zeitpunkt waren unsere Werkzeuge ja auch ganz andere als heute. Wir hatten begrenzte Farbpaletten und niedrigere Auflösungen. Die meiste Zeit ging es darum, dass Dinge einfach irgendwie gut aussehen, dass sie zum Eintauchen und Beschäftigen einladen – nicht darum, einen bestimmten „Stil“ zu verfolgen.

Aus all diesen Gründen war der Stil eines Caesar 3 nichts, das aus einer bewusst eingeschlagenen Fahrtrichtung folgte. Es war eher die logische Fortsetzung der Bemühungen, die Impressions schon eine Weile verfolgt hatte und die mit Caesar 2 zum ersten Mal richtig erfolgreich waren.

Mit Caesar 3 habe Impressions Games die Schatzkarte für eine Goldgrube gefunden – und auf dieser dann stückweise iteriert (Bildquelle).

Gibt’s noch etwas, was Sie der Nachwelt zu Caesar 3 sagen möchten? Vielleicht etwas, was Sie anders gemacht hätten?

Ich habe Impressions Games gegen Ende der Entwicklung von Caesar 3 übernommen. Pharaoh, der Nachfolger zu Caesar 3, war das erste Spiel, dass ich so designt habe, obwohl sein Innersteres natürlich Caesar 3 sind – ein großer Grund, weswegen es so viel Spaß macht. David Lester und Simon Bradbury haben in Caesar 3 ein Stück echte Magie gefunden und geschaffen. Wenn diese Geheimzutat da ist, kann sie viele andere Dinge ausgleichen. Also, um die Frage zu beantworten: Ich hätte Caesar 3 noch weiter poliert. Pharaoh war zur Hälfte, Caesar 3 zu polieren und zu perfektionieren, und zur anderen Hälfte neuer Kram.

In vielerlei Hinsicht ist Zeus die ultimative (Einzelspieler-)Perfektion der „City Building Series“, mit seiner klugen Tab-Benutzeroberfläche, weniger Problemen mit den Läufern für Arbeit und Waren und so weiter und so fort. Aber es bringt auch dramatische visuelle Änderungen. Die Gebäude sind nicht mehr mit dem Lineal gezogen wie vorher, die Farben weniger erdig, die Animationen verspielter. Wie kam es dazu?

Es ist schon witzig in der Nachbetrachtung, dass wir die Serie da in eine andere visuelle Richtung gelenkt hatten, aber man darf nicht vergessen, dass PC-Spiele noch in den Kinderschuhen steckten. Viele Genres, die wir heute haben, gab es noch nicht einmal. Selbst das Konzept von Genres war noch in der Entstehung. Alle versuchten, mit neuen Ideen zu kommen, ohne eine wirkliche Ahnung, wie wir sie nennen oder einordnen sollen. Selbst das Konzept einer Marke oder Serie war noch schwamming. Wir gaben unserer Städtebau-Serie nicht den Namen Impressions City-Building Series, bis wir schon mittendrin steckten, als ob wir das Konzept einer Serie nicht begriffen hätten.

Wenn man auf eine Goldgrube stößt wie die Caesar-Teile, gilt es als schlechter Stil, das jetzt einfach zu wiederholen oder nur leicht abzuwandeln. Die Erwartungshaltung war, neue Spielkonzepte zu entwickeln. Das scheint im Rückblick verrückt – heutzutage hast du für eine Marke eine ausgetüftelte Formel und rödelst die einfach ab. Und vielleicht waren wie in diesem Aspekt auch schlechter als andere Studios, da wir nicht einfach Nachfolger entwickelten, wenn wir nichts wirklich Neues in petto hatten. Da Zeus aber lediglich ein Jahr nach Pharaoh erschien, sahen wir uns in der Pflicht, alles dafür zu tun, damit es auf eigenen Füßen steht.

Speziell im Hinblick auf die Ästhetik hatten wir einen Gedankengang: Wir hatten gemacht, wie viele unserer „Hardcore“-Strategie-Titel ein deutlich breiteres Publikum ansprachen, als das für die Zeit typisch war, also auch viele Frauen und Kinder. Heute ist Spielen demographisch weit gespreizt, aber damals waren es in erster Linie Männer, und für unsere Spiele im Regelfall ältere Männer, keine Teenager oder Anfangszwanziger.

Die Aufbauspiele von Impressions Games sprachen eine deutlich breitere Zielgruppe an als viele andere Titel damals, so Beatrice. Der lockerere Stil von Zeus sollte dem auch visuell Rechnung tragen. (Bildquelle)

War das auch der Grund für die bunten Statuen?

Wie gesagt, die Idee war, die Optik weniger ernsthaft und jovialer zu machen – mit der Begründung, dass gemalte Statuen ja in der Tat historisch korrekt sind. Es ist wirklich komsich, dass wir klassische Statuen einfach als weißen Marmor sehen, und deswegen wirkt Farbe darauf kitschig. Bei Schlössern verhält sich das ähnlich – wir sehen die als graue Steine an, dabei waren sie tatsächlich weiß gescheuert.

Während Caesar 3 auf der Packung einlädt, ein besseres Rom zu errichten, geht Zeus sein Setting deutlich narrativer an – wie der Name schon sagt. Die Spielmechanik bringt Gottheiten und Widersacher direkt auf den Bildschirm, im Gegensatz zu den abstrakten Machtmechaniken, die sie in den Vorgängerspielen waren. Und einige Darstellungen sind auch recht respektlos und treffen so die vielfältigen religiösen Empfindungen des antiken Griechenlands sehr gut. Wie kam es hierzu?

Auch hier ging es uns darum, im Kern etwas anderes zu machen als bei Pharaoh. Die griechische Götterwelt ist wahnsinnig beliebt und bekannt – im Gegensatz zur alt-ägyptischen -, so dass wir auf dieser Popularität aufbauen und etwas wirklich unterhaltsames anstellen konnten.

Zwischen Caesar, Zeus, Pharaoh und dem letzten Kaiser, welche Herangehensweise für die Darstellung alter Kulturen, ihrer Glauben und Ästhetik würden Sie heute wählen?

Uff, da ist es schwierig für mich, eine allgemeingültige Antwort zu finden. Die spezifische Kultur an und für sich hat da einen großen Einfluss. Ein Beispiel: Die Römer waren Städtepläner, folglich war das Römische Reich die Basis für die „City-Building“-Serie von Impressions. Im Gegensatz dazu hatten die Ägypter nur für eine geplante Stadt, glaube ich – Amarna -, aus vielerlei Perspektive eine Besonderheit. Die Römer waren Eroberer und Kolonisten, deswegen war die Kunst des Städteplanens für sie so wichtig. Ägyptische Kultur war komplett vereinnahmt von dem Konzept des Pharaohs als lebende Gottheit, so dass die Spielmechanik sich folglich ganz darauf umbog, die gesamte Stadt respektive Zivilisation auf das Ziel zu errichten, das großartigste Monument der Welt zu errichten. Das ist ein Aspekt, in dem Pharaoh meiner Ansicht nach Caesar 3 überlegen war: Es lieferte einen greifbaren, sichtbaren, faszinierenden und befriedigenden Grund, deine Stadt zu bauen, während es bei Caesar 3 nur Bewertungen gab. Und schließlich hatten wir mit dem Griechischen Setting einen wirklichen kulturellen Schatz mit den Gottheiten und ihren Interaktionen.

Das alte Ägypten wie in Pharaoh ist für Beatrice „der faszinierendste Schauplatz“ (Bildquelle).

Für mich ist das alte Ägypten – Pharaoh, Kinder des Nils – der faszinierendste Schauplatz, aber Zeus hatte wohl die eleganteste Spielmechanik aller Städtebau-Spiele.

Haben die damals existierenden Technologien jemals bestimmte Einschränkungen bezüglich der Spielmechaniken oder der Ästhetik erfordert?

Nun ja – frei drehen und zoomen zu können, wäre nett gewesen. Das macht spielerisch keinen Unterschied, lädt aber visuell deutlich mehr zum Eintauchein ein. Ach ja: Auflösung. Wenn dein Spiel auf kleinen Figuren basiert, die durch die Gegend laufen, wird das schnell eine Herausforderung, wenn deren Füße nur ein paar wenige Pixel hoch sind. Die Herausforderung mit den „City Building“-Spielen war, dass wir viele, viele verschiedene Dinge hatten, die sich gleichzeitig bewegten und veränderten – eine ganz andere Herausforderung als hochauflösende Texturen mit detaillierten Polygonmodellen [wie sie zum Beispiel in Action-Shootern auftreten]. Diese ganzen Schwierigkeiten lassen sich mit der heutigen Technologie deutlich leichter meistern.

Glauben Sie, dass es in 2D-Grafik einfacher ist, einen genau wiedererkennbaren künstlerischen Stil zu verfolgen, als in 3D?

Ich denke nicht, dass es einfacher ist, in 2D-Grafik einen eindeutigen Stil zu haben, aber ich glaube, für einige Spiele ist 2D trotzdem geeigneter. Es erlaubt es, abstrakt zu bleiben. Es gibt keine Illusion, dass hier wirklich eine reale Welt abgebildet wird, und dass erlaubt es, Spielmechanik und Interface zu priorisieren. Ich bevorzuge 2D.

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