Bundestagswahl 2017 (2): Die „kleinen“ Parteien damals und heute

Politik

Da bereits das bloße Erwähnen von „Das Rennen um Platz 1 ist längst entschieden“ mauerparkähnliche Abnutzungserscheinungen zeigt, widmet sich dieser Artikel direkt der zweiten Gruppe der Stimmenanteile. 2013 war es ein mittlerer Schock, dass die FDP eben nicht nur ihre 1998-Malaise erneut erlitt, sondern tatsächlich zum ersten Mal in der Geschichte der Republik nicht in den Bundestag einziehen konnte. Die AfD verfehlte die Hürde ebenfalls knapp – hier war die Überraschung aber geringer (siehe meinen kurzen Beitrag zur Wahl dereinst).

Die Reihenfolge der „kleineren“ Parteien jedoch spielt für die künftige Entwicklung der Republik institutionell wie emotional eine wichtige Rolle: Redezeiten im Bundesrat, Ausschussvorsitze, der Visitenkartenschriftzug „Oppositionsführer“, mögliche Vizekanzlerschaften basieren auf der genauen Arithmetik.

Umfragen und Ergebnisse für die kleinen Parteien in der Vergangenheit

Rasen wir also in Windeseile durch die Umfragen- und Ergebnislage der vergangenen Jahre. Hierzu schaue ich mir jeweils die letzte Umfrage eines Instituts vor der Wahl an. Rohdaten wie immer auf meinem OneDrive, Quelle wie immer Wahlrecht.de.

Institut Grüne FDP Linke AfD
Allensbach 9% 5,0% 9% 4,5%
Emnid 9% 6% 9% 4%
Forsa 10% 5% 9% 4%
FGW 9% 5,5% 8,5% 4%
GMS 11% 5% 9% 3%
Infratest 10% 5% 8% 2,5%
INSA 8% 6% 9% 5%
Durchschnitt 9,4% 5,4% 8,8% 3,9%
Ergebnis 8,4% 4,8% 8,6% 4,7%
durchschnittliche Abweichung 1,0% 0,6% 0,2% -0,8%

Lesebeispiel: 2013 sagte der Durchschnittswert für die Grünen ein Ergebnis von 9,4 Prozent heraus – bei einem Ergebnis von tatsächlich 8,4% ist das also eine Abweichung von einem Prozentpunkt. Negative Abweichungen heißen also, dass die Partei besser abschnitt als in ihren Umfragewerte.

2013 sind mehrere Tendenzen erkennbar: Ziemlich genaue Ergebnisse für die Linken, eine leichte durchschnittliche Überprojektion des Grünen-Ergebnisses und eine jeweils noch leichtere Überbewertung der FDP und Unterbewertung der AfD. Nahezu alle Abweichungen sind einzeln wie gruppiert deutlich innerhalb des zu erwartenden Fehlers.

Allerdings ist auffallend, dass zu hoch geschätzte Werte bei der AfD und zu niedrige bei den Grünen jeweils nur genau einmal auftraten – eine natürliche Streuung würde Fehler in beiden Richtungen platzieren. (Tatsächlich gab es damals sogar einen Gerichtsstreit zu dem Thema.) Zum Verhältnis zwischen Demoskopen und AfD habe ich auch innerhalb dieser Legislatur einmal geschrieben.

Vier Jahre zuvor (ohne AfD, ohne INSA) war das Ergebnis hingegen ein Paradebeispiel statistischer Zufallensverteilung:

Institut Grüne FDP Linke
Allensbach 11% 13,5% 11%
Emnid 11% 13% 12%
Forsa 10% 14% 12%
FGW 10% 13% 11%
GMS 11% 13% 11%
Infratest 10% 14% 11%
Durchschnitt 10,5% 13,4% 11,3%
Ergebnis 10,7% 14,6% 11,9%
durchschnittliche Abweichung -0,2% -1,2% -0,6%

Lediglich das außerordentlich gute Ergebnis der FDP wurde in der Höhe nicht vorhergesagt. Eine mögliche Erklärung ist, dass für die Projektion aus den Rohdaten auch eben mehr langfristige Konstanz angenommen wird und besonders starken Ausschlägen von Bestands- oder Neuparteien Misstrauen entgegen gebracht wird.

(Daten für 2005, 2002 und 1998 im Originaldokument.)

Zwei Fragen ergeben sich insbesondere:

  • Wie oft gelingt den Instituten die Einordnung in die richtige Reihenfolge? 1998 und 2009 gut, 2005, 2009 und 2013 geht immer mindestens eine Einordnung anders aus als die Durchschnittsprojektionen. Lediglich deutlich abgeschlagene Dritte werden mit Sicherheit prognostiziert.
  • Gibt es Besonderheiten nahe der Fünfprozenthürde? Das dürfte dieses Jahr keine Rolle spielen, aber die Antwort ist auch hier ein Nein: zweimal lagen Stimmungsbilder einer Partei genau an oder unter der Hürde zu tief (AfD 2013, PDS 1998), zweimal zu hoch (FDP 2013, PDS 2002).

Die Bedeutung für 2017

Was also lässt sich hiermit für die kommende Bundestagswahl schlussfolgern? Ich habe mit den aktuellsten Umfrageresultaten (Stand 15. 9. 2017) den entsprechenden Durchschnitt gebildet:

Institut Grüne FDP Linke AfD
Allensbach 7,5% 10,0% 8% 8,0%
Emnid 8% 8% 9% 9%
Forsa 8% 8% 10% 9%
FGW 8% 10% 9% 10%
GMS 9% 10% 9% 8%
Infratest 7,5% 9,5% 9% 12%
INSA 6% 11% 9% 11%
Durchschnitt 7,7% 9,4% 9,0% 9,6%

Die Umfragen von Allensbach, Emnid und GMS sind etwas älter. Derzeit sieht es so aus, als ob die FDP und AfD das Rennen um Platz 3 unter sich ausmachen, wobei die Linke allerdings nicht allzuweit abgeschlagen ist. Mit ziemlicher Sicherheit hingegen erreichen die Grünen am 24. September den sechsten Platz, auch wenn an ihrem Einzug ins Parlament kein realistischer Zweifel besteht.

Offenlegung: Ich bin seit 2009 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Ich war von ca. 2002 bis 2009 Mitglied der FDP:

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