Mehr als hundert Tage danach: Analyse auf Länderebene

Politik

Nicht nur ist es fast vier Monate her, dass die neue Bundesregierung ihre Geschäfte angetreten hat. Auch viele bisher nicht oder zumindest im jeweiligen Bundesland nicht erprobte Koalitionen auf Landesebene haben sich längst konstituiert. Da ist es an der Zeit, einmal nachzuschauen, wie sich die jeweiligen Konstellationen im Kaffeesatz der Demoskopen schlagen. Kaffeesatz auch deswegen, weil, insbesondere weit weg von Landtagswahlen, kaum Umfragen auf dieser Ebene durchgeführt werden und der Datenbestand entsprechend gering ist. (Quelle wie immer: Wahlrecht.de)

Zu betrachten sind:

  • Saarland (die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene, flankiert von heftigen Diskussionen)
  • Brandenburg (Wechsel des Koalitionspartners – bei dem daraufhin reihenweise Stasi-Verbindungen öffentlich wurden, erstmaliger Einzug von Grünen und FDP seit 1990)

Mangels Umfragen entfallen, obwohl an sich auch extrem interessant:

  • Hessen (der Auftakt eines starken Jahres für die FDP und eines desaströsen für die SPD)
  • Sachsen (erste CDU-FDP-Regierung in diesem Land)
  • Thüringen (Althaus absurde Rücktrittsposse, die noch absurdere Wende der SPD zu einer Koalition mit der Union, die mehreren nötigen Wahlgänge für die jetzige Ministerpräsidentin Lieberknecht, erstmaliger Einzug von Grünen und FDP seit 1990)
  • Schleswig-Holstein (CDU und SPD stürzen beide massiv ab; zudem das Hoheitsgebiet von Westerwelle-Kritiker Kubicki)

Nichts los im Saarland

Die - sofern exakt eine Umfrage den Begriff zulässt - Entwicklung im Saarland, wo erstmals eine schwarz-gelb-grüne Koalition regiert.

Zunächst zum Saarland. Hier hatten viele orakelt, dass die Aufnahme einer Koalition mit der CDU und der FDP und damit die Verlängerung der Amtszeit von Peter Müller für die Saargrünen, wenn nicht für die gesamte Bundespartei ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem herbeiführen würde. Denn wie kann man mit schwarz-gelb regieren und gleichzeitig erzählen, dass es im Prinzip nichts Schlimmeres gäbe?

Nun ja, der Sturm hat nicht einmal das Wasserglas richtig durchgewirbelt. Aus dem Saarland rumpelt es nicht, und auch die Umfrage (ja, eine, ja, zwei Monate her) gibt keinen wirklich großen Trend wieder. Die SPD gewinnt leicht (das kann daran liegen, dass Heiko Maas sich in der Opposition jetzt gut profilieren kann), die CDU verliert im Gegenzug etwas, die Linke ebenfalls (mag an den Querelen um Oskar Lafontaine gelegen haben). Grüne und FDP nahezu unverändert. Summiert man die Saarbrückener Regierungsparteien, ergibt sich ein leichtes Minus (1,6% – wobei Nachkommastellen hier wenig Sinn haben), bei der Opposition gibt es summiert keine als messbar zu vermeldene Veränderung.

Die Berliner Regierunsparteien haben beide an Zustimmung verloren, wobei das bei FDP insignifikant ist, da eine reine Nachkommafrage. Die bundesweite Opposition hat insgesamt leicht zugelegt.

Brandenburg mit spannenden Bewegungen

In Brandenburg ermittelte Infratest dimap zwischenzeitlich einen Wechsel beim Kampf um den zweiten Platz.

Es gibt in Brandenburg etliche Besonderheiten. Die demographisch außerordentlich ungünstige Situation für die Grünen, denen in erster Linie das Berliner Suburbia hilft. Das vergleichsweise gute Dastehen der SPD und die absolute Schwäche der CDU, die sich 1994 etabliert hat. Gleichzeitig war Brandenburg für die Linke auch schon eine Hochburg, als sie noch PDS hieß. Umso bemerkenswerter und aufschlussreicher (und, weil vom gleichen Institut stammend, auch vergleichbar) sind daher die Ergebnisse in oben gezeigter Grafik.

So könnte man annehmen, dass die Entscheidung von Ministerpräsident Platzeck, mit den Linken eine Regierungskoalition einzugehen, insgesamt leicht Stimmen gekostet hat (der SPD-Wert blieb in beiden Umfragen bei 31%). Nachvollziehbarerweise wogen die Stasi-Enthüllungen für die Linke jedoch deutlich schlimmer, so dass sie zwischenzeitlich in der gemessenen Wählergunst sogar hinter die Union abrutschte, was in Brandenburg wirklich Seltenheitswert hat. Mittlerweile hat sich das weitestgehend ausgeglichen. Die Union hat immer noch einen leichten demoskopischen Zugewinn, der kann aber auch in Teilen von der FDP stammen.

Die Liberalen wiederum haben seit Dezember einen Prozentpunkt abgegeben, die Grünen einen erhalten, zusätzlich zum Zugewinn der ersten Umfrage – und damit kehrt sich das Bild der beiden Parteien im Land um.

Insgesamt haben die Brandenburger Regierungsparteien verloren (gut zwei Prozentpunkte), die Opposition zugelegt (rund dreieinhalb Zähler). Betrachtet man die Konstellation aus Sicht der Bundeshauptstadt, verzeichnet schwarz-gelb gar einen leichten Zugewinn.

Kein schlüssiges Bild

Ein wirklich schlüssiges Bild ergibt die spärliche Umfragelage also nicht. Vielmehr spricht insbesondere das Brandenburger Ergebnis für eine deutliche Trennung von Landes- und Bundespolitik, denn die Veränderungen bei bundesweit durchgeführten Umfragen sind im Vergleich heftig und eindeutig.

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