Kundenservice im Sinne der Bahn

Fortbewegung

Das Standardequipment für Fahrgastrechte: Fahr- oder Zeitkartenkopie und Formular im Zeltplanenformat.

Das Standardequipment für Fahrgastrechte: Fahr- oder Zeitkartenkopie und Formular im Zeltplanenformat.

Fahrgastrechte klingt ja erst einmal gut. Wenn man schon irgendwo in der Provinz kostbare Lebenszeit buchstäblich hat wegfließen sehen, während der Schaffner (oder wie auch immer MC AnsagenDude jetzt gerade heißt) seine Schadenfreude kaum unterdrücken konnte, dann gibt’s dafür wenigstens was wieder. Lebenszeit nicht, aber immerhin das angebliche Äquivalent davon. Oder immerhin das Äquivalent des Äquivalents, nämlich einen Gutschein. Das ist der Punkt, wo das Gleichheitszeichen ebenfalls schadenfroh wird.

Zettelkampf: 48 Felder Informationsdurst

Und da hat es den neuen Fahrgastrechtefaltzettel noch gar nicht gesehen. Ich habe von meiner letzten Verspätungsodyssee ein solches Exemplar mitbekommen und war von der Eingabefeldvielfalt so beeindruckt, dass das Faltblatt erst einmal die selbe drauflustinduzierte Priorisierung bekam wie meine Steuererklärung. Für die Steuern etwas gibt’s immerhin Software mit Videoeinspielungen, aber bei der Bahn nur lange mehrfach verschachtelte Textwüsten.

Die, kein Scherz, Hilfe zum Ausfüllen. 50 cent je Schatzkartenwitz.

Die, kein Scherz, Hilfe zum Ausfüllen. 50 cent je Schatzkartenwitz.

Jetzt, wo ich es hinter mir habe, kann man es ja mit angezogener Polemik-Handbremse sagen: So schlimm ist es gar nicht. Wie bei einem guten Grafikadventure reicht die Rätselqualität von „Lösung drängt sich förmlich auf“, etwa bei den Familienangaben über „Kann man mit Knobeln drauf kommen“, die Zugnummern (ausgefallene Züge sind in der Vergangenheit auf der Bahn-Website nicht mehr zu finden) bis hin zu „Herausforderung, aber hinterher durchaus erklärlich“ (die vier Handlungsanweisungen von Überweisung bis zu Gutscheindrucken, die mit der jeweiligen Fahrkarte zusammenhängen und wohl auch mit der Quersumme der Zugnummer).

Der Denkfehler: Am Kunden vorbei

Tatsächlich lässt sich der Fragebogen in wenigen Minuten meistern. Auch die Falt- und Zusatzinfohineinsteckanleitung ist nicht komplizierter als so mancher Überraschungseierinhalt. Aber darum geht es nicht.

Wenn ich bei einem Kunden Wiedergutmachung ersuche, dann mache ich es ihm so einfach als irgend möglich.

Nicht so, dass es halt geht, wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt, sondern so einfach wie nur irgend denkbar. Ich komme auf den Kunden zu. Ich möchte, dass er wieder mit mir fährt.

Was spricht dagegen, den Ansagenbistrospeisenaufwärmzeitungsverteilkontrolleur direkt Gutscheine zum Ausfüllen zu geben? Die Rechnung (Pauschale für Zeitkarteninhaber, Prozentsatz für Fahrkartenbesitzer) ist ja keineswegs unbeherrschbar, und selbst wenn, hätten ein paar Tabellen auch noch Platz in den Vorschriftenansammlungen. Online oder am Automaten lassen sich die Gutscheine dann auch in eine Überweisung verwandeln. Fertig. Ohne, dass ich noch irgendwo Stifte und, schlimmer, Briefmarken suchen muss. Oder noch schlimmer, am Schalter wieder die Lebenszeit wegrennen zu sehen.

Update vom 23. August 2009: Nach nur eine Woche ist heute das Bestätigungsschreiben der Bahn eingegangen, in der mir tatsächlich ohne Widersprüche (aber immerhin mit einer dreizeiligen, sechsspaltigen Tabelle) ein Anspruch zuerkannt wird, der auch alsbald mein Konto erreichen soll.

2 Replies to “Kundenservice im Sinne der Bahn”

  1. Der Dommasch sagt:

    Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Ausfüllen. Gab es nen Gutschein oder wurde der Antrag wegen Formfehlern abgelehnt? Fehlte das zusätzliche Formblatt oder eine Anlage? Wie auch immer: Zängk ju vor träwelling wizzz Deutsche Bahn.

    • Der Burtchen sagt:

      Bis jetzt hab‘ ich noch mit keinem gebräulichen Kommunikationsmedium (es sei denn, Verspätungen zählen auch zum Kommunikationsinstrumentarium der DB) Schelte erhalten. Aber die Erfahrung lehrt, mit angezogener Euphoriebremse zu fahren …